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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken
Autoren: Giles Foden
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er hat lange Wollunterhosen darunter an, denn im Südpolarmeer ist es bitterkalt. Der Wind fegt über das Schiff wie ein Tier, das versucht, seine Beute zu greifen. Ab und zu wird ein einzelner kleiner Gegenstand, ein Stiefel oder ein Hut, erfasst und über das Deck gepeitscht. Wenn er das Heck erreicht, ist er schon nicht mehr zu sehen, und während man sich in die Bö lehnt, stellt man sich unwillkürlich vor, dass man selbst so über das Deck gefegt und geprügelt und dann über Bord geblasen werden könnte.
    In die anonyme Unendlichkeit schäumender Wellen.
    Rollend in schäumenden Wellen.
    So heißt es in der Arie, die in Haydns
Schöpfung
die Erschaffung der Meere und Flüsse beschreibt.
    An Bord gibt es ungefähr zwanzig Offiziere, hauptsächlich junge arabische Ingenieure und Kadetten von der saudischen Marineschule. Keine Frauen. Die jungen Araber auf dem Schiff sind allerdings alle in eine Herzensbrecherin namens Olivia Newton-John vernarrt. Ich habe Poster von ihr an den Kabinentüren gesehen.
    Es gibt einen Fitnessraum, eine Bibliothek und ein kleines Kino auf dem Schiff, in dem hauptsächlich alte Filme gespielt werden.
Der schwarze Falke, African Queen, Vom Winde verweht.
Als ich den letzten sah, musste ich an Krick denken.
    Es gibt auch eine kleine Moschee, deren Minarett mit der Radaranlage und der Funkantenne um Höhe wetteifert. Ansonsten ist alles ungefähr so, wie Pyke es sich vorgestellt hatte, nur dass der Rumpf nicht wie in seinem Plan voller Flugzeuge, sondern voller Tanks mit gekühltem Wasser ist. Dieses Wasser, wie auch das Schiff selbst, ist unsere Fracht für die Wüste.
    Grease Ice, Pfannkucheneis, Meereisdecke, Eisschollen - wir haben bereits jede Art von Eis angetroffen, und durch alle hat unser in Ungnade gefallener schwedischer Fährkapitän navigiert, als wäre er für die Aufgabe geboren. Er hat mit seinem massigen Körper und roten Monarchenbart zwar etwas Tölpelhaftes an sich, aber an seiner Navigation gibt es nichts zu bemängeln. Er wirkt sehr gelassen, wenn er oben auf der Brücke Said und seinen anderen Offizieren Befehle gibt. Das Einzige, was ihn einmal verärgerte, war, als eines Tages während der Mittagszeit neben dem Schiff ein Pottwal auftauchte, aber wahrscheinlich auch das nur, weil er in Ruhe zu Ende essen wollte. Mit einem Phosphorleuchten geschmückt, schwamm das Tier eine oder zwei Stunden neben uns her. Oder es war eher, als führen wir entlang einer langen, kochtopfgrauen Landzunge - entlang eines trostlosen Landes wie der Bouvetinsel, vor der wir jetzt ankern, nur dass es sich mit einer Halskette aus Licht ins Meer erstreckte.
    Said ist der Sohn des Scheichs. Er jagt mit seinem Falken vom Deck aus andere Vögel. Hauptsächlich junge Raubmöwen, die sich tapfer schlagen. Er ist gutaussehend, klug und hat eine Adlernase, und wir sind gute Freunde geworden. Als er eines Tages in meine Kabine kam und vor mir diese fleckigen Memoiren meiner Kriegszeit sah, fragte er: »Was schreiben Sie?«
    Ich erklärte es ihm und zeigte ihm einige Seiten des Manuskripts und auch des eselsohrigen Tagebuchs, das ich als Grundlage für diese Aufzeichnungen verwende. Und so hat es sich eingebürgert, dass er jeden Tag die neuen Kapitel liest, die gerade fertig sind, und in der Geschichte voranschreitet, während die
Habbakuk
aus dem eisigen Nebel hervorragt und sich ihren Weg nach Norden bahnt. Ich trinke Tee oder Whisky, rauche meine Pfeife, höre Kassetten von Haydns Oratorien - und schreibe. Dann und wann wird mein Urteil zu einer wissenschaftlichen Frage im Zusammenhang mit dem Schiff erbeten, aber ansonsten kann ich über meine Zeit frei verfügen.
    Manchmal übertreibe ich es für einen alten Mann. Eines Morgens fand Said mich schlafend im Bett - zwischen meinen Aufzeichnungen, die Blätter des Manuskripts um mich herum verteilt. Die Kappe meines Füllfederhalters hatte sich in meinem Schoß gelöst, und die Tinte war in die Bettlaken gelaufen und hatte seine kryptischen Falten blau gefärbt wie den Ozean, durch den wir fuhren.
    Dies geschah, das geschah ... Die Frage, wo man anfangen soll, ist immer die schwerste. Vor dieser Entscheidung sollte man tief durchatmen. Denn, wie Ryman selbst es sagte
- alle Fehler gehen am bestehenden Umständen hervor.
Schließlich wählte ich nicht meine Geburt oder Kindheit aus, sondern eine andere, vor vielen Jahren unternommene Reise, als ich als unerfahrener junger Mann selbst gen Norden fuhr, um den Propheten
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