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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken
Autoren: Giles Foden
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glatt, beschwere die Kanten des Papiers mit einer Kaffeetasse und meiner Tabakdose und lese.
    Gelegentlich verschlug es Pyke in die Welt der Phantasie. Er war der Meinung, die Pykerete-Flotte solle Tanks mit unterkühltem Wasser mitführen, das, auf feindliche Schiffe gesprüht, sofort gefrieren und so eine Brücke zum Entern bilden würde. Oder er fabulierte, das eisige Wasser könne Waffen verstopfen. Ein anderer Vorschlag von ihm war, Eisfestungen an Land zu errichten, in die Sprengfallen eingefroren waren, die explodierten, sobald jemand versuchte sie zu schmelzen.
    Aber die Grundidee hinter der
Habbakuk
war vernünftig, und als wir unseren antarktischen Hafen verließen, waren wir ihr so treu wie möglich geblieben und hatten jegliche neue Technologie genutzt, die seit dem Krieg entwickelt worden war.
    Am Tag unserer Abfahrt (11. Januar 1980) kamen Wissenschaftler verschiedener Forschungsstationen aus der ganzen Ostantarktis, um uns zu verabschieden. Es waren sogar Chinesen von der Zhongshan-Station da - einen Hubschrauberflug über das Schelfeis von Mawson entfernt -, ebenso wie einige Japaner und Russen. Es ist ein Zeichen für die Einzigartigkeit der
Habbakuk,
dass sie alle kamen, trotz der naturgegebenen Konkurrenz und Verschlossenheit der Wissenschaftler verschiedener Nationen.
    Ich erinnere mich noch daran, wie sie im orangefarbenen Sonnenlicht inmitten des strahlend weißen Schnees standen, während wir davonglitten. Kleine Menschenfiguren vor einer lebhaften Menge von Kaiserpinguinen. Die Pinguine erinnerten mich an Akademiker bei einer Konferenz, die in einer Pause in lockeren, flüchtigen Gruppen Tee schlürfen und auf die Rückkehr in die Ordnung der nächsten Plenarsitzung warten ...
    Oh, wie ich mich an die Zeit in Cambridge erinnere. McClintock und Summerhayes, Yazikov und Lewis, die um den Redakteursposten des
Journal of Fluid Mechanics
wetteiferten. Die Widerlinge, die sich gegen mich verschworen hatten, kehrten mit einem Zug an meiner Pfeife zurück. Jemand anders wäre mir lieber: Wenn
sie
doch nur wirklich so leicht zu mir zurückkehren könnte.
    Das Schiff wurde bejubelt, der Hafen leerte sich von Sturmhauben, grellen Schneeanzügen und Sonnenbrillen. Die Pinguine waren das Einzige aus Fleisch und Blut, was blieb. Hinter ihnen standen die Schuppen und Hangars von Mawson und dahinter Linien von Sastrugi: geriffelte Reihen von gefrorenem, vom Sturm zerfrästem Schnee, alle in Windrichtung. Alle präzise ausgerichtet, wie wir es auf unserem Kurs Richtung Wüste sind, auch wenn das Wasser um uns wirbelt wie Tänzer auf einer Bühne.
    Dieses Wirbeln hängt mit Turbulenz zusammen, dem letzten großen Problem der klassischen Physik. Wie Einstein es gesagt haben soll: »Ich hoffe, dass mir jemand die Quantenphysik erklärt, bevor ich sterbe. Und ich hoffe, dass Gott mir nach meinem Tod die Turbulenz erklärt.« (In einer anderen Version dieser Anekdote, die auch Heisenberg und Kärmän zugeschrieben wird, ist hinzugefügt: »Aber ich möchte Gott mit der Frage nicht in Verlegenheit bringen.«)
    Mit Schlomborg am Steuer - eigentlich eine Anzahl von Knöpfen und Reglern, die die Motoren kontrollieren - haben wir die Bouvetinsel erreicht, einen unbewohnten Haufen von Felsen, Geröll und Gletschern, an dem wir unsere Eisvorräte auffüllen. Die Bouvetoya, wie sie auf Norwegisch heißt - dieser trostlose Fleck gehört zu Norwegen -, soll der entlegenste Ort der Erde sein, d. h., er ist am weitesten entfernt von jedwedem anderen Land.
    Während ich schreibe, tauchen vor dem Bullauge Zügelpinguine nach Krill. Auf der Insel leben Tausende von massigen Seeelefanten, die die Pinguine töten, indem sie sie schütteln, bis das Fleisch vom Knochen reißt.
    Von hier nehmen wir Kurs gen Norden auf Kapstadt, wo wir Vorräte an Bord nehmen, ebenso noch einmal in Daressalam in Tansania. Dann folgen wir der kenianischen und somalischen Küste zum Persischen Golf.
    Schlomborg trägt die vollständige blaue, mit Messingknöpfen besetzte Uniform der schwedischen Handelsmarine. Es scheint ihn nicht zu interessieren, dass sein Schiff aus Eis besteht, und er gibt sich seltsam gleichmütig, wann immer ich dessen strukturelle Integrität anspreche, über die ich zu wachen habe. Aber er spielt auf der Motoren-Steuerkonsole wie ein erstklassiger Organist.
    Scheich Issa, der Mann, der all das bezahlt hat, ist ein kleiner, dunkler Mann mit Augen voll wilder Entschlossenheit. Er trägt ein wallendes weißes Gewand. Ich nehme an,
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