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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken
Autoren: Giles Foden
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Richtung der Flügelspitzen verschwand, wo er in meiner Vorstellung in dichten Schwaden herumgewirbelt und dann hinter uns geworfen wurde. Ich konnte nicht anders, als den Weg einzelner Schneeflocken im Kopf nachzuverfolgen:
p -
der Druck,
h
= die Höhe,
x
= die Masse des Wassers pro Masseeinheit,
v
= die Geschwindigkeit pro Masseeinheit,
y —
die Entropie ...
    »Cumulonimbus würde ich ausweichen«, empfahl ich dem Piloten, nachdem ich die Schneewolken eine Zeitlang beobachtet hatte. »Zu viel Turbulenz.«
    »Zum Teufel damit«, erwiderte er und drückte den Steuerknüppel nach vorne. Wir gingen in einen steilen Sturzflug. Das Flugzeug fing an, sich zu drehen, ein Phänomen, das anfangs seltsam wenig Turbulenz zeigte, da es kontrolliert war. Furchteinflößend war es trotzdem.
    Ich wusste, dass ein »Flattern« starke Turbulenz bedeuten würde und wir die Kontrolle über das Flugzeug verlieren würden. In Cambridge hatte ich Experimente zu diesem Thema durchgeführt - ich hatte auf den Wiesen Bumerangs geworfen und beobachtet, wann sie ihre Aerodynamik verloren, sowie Strandkiesel auf Holzoberflächen kreiseln lassen und berechnet, wann sie umfallen würden.
    Wir sanken weiter. Ein durchdringendes Geräusch durchfuhr das vernietete Aluminium der Kabine. »Verdammt, was machen Sie da?«, schrie ich.
    Es ging immer noch abwärts, wir stürzten durch eine Wolkenschicht nach der anderen, die Maschine fauchte - 6 000 Fuß, 5 000, 4 000...
    »Willst
du
mir sagen, wie ich zu fliegen habe?«, kam die Antwort durch die Kopfhörer. »Ich bin schon durch Cunims geflogen, da hattest du noch Windeln an. Das hier ist gar nichts. Ich war schon bei Wetter unterwegs, da sind sogar die Vögel lieber zu Fuß gegangen.«
    Ich krallte mich am Sitz fest und spürte, wie die Bohnen und der Schinken wieder hochkommen wollten. »Das kann ja sein«, sagte ich, »aber ...« Meine Stimme versagte, als mir der stumme Schrecken in die Glieder fuhr.
    Er trat auf die Pedale, zog den Gashebel ganz heraus und drückte die Nase noch weiter nach unten. Schockiert starrte ich auf den Höhenmesser. Der Motor heulte auf, als das Flugbenzin hineinschoss - und dann brachte der Pilot in einer weiteren schnellen Bewegung den Steuerknüppel wieder in eine mittlere Position.
    Plötzlich flogen wir wieder ruhig und aufrecht. Die Nadel kroch langsam über die Anzeige - 2 000 ... 3 000 ... 4 000 ... Dann richtete er das Flugzeug gerade aus und erlaubte den Instrumenten, ein, zwei Minuten lang zu verharren, bevor er wieder in einen steten Steigflug ging.
    »Was sollte das denn?«, fragte ich wütend, während wir an Höhe gewannen. »Finden Sie das etwas witzig?« Während wir an Höhe gewannen, hatte ich das Gefühl, dass sich mir der Magen zusammenzog.
    Der Pilot lachte. »Beruhig dich, Junge. War 'ne kleine FETE.«
    »Eine Fete?«, fragte ich mit Herzrasen. Dann wurde es mir langsam klar. Nicht »Fete«, sondern FETE: Feuchtigkeit und Temperatur. Das war ein legitimes Manöver zur Messung der entsprechenden Werte in verschiedenen Höhen. Hier über den englischen Midlands gab es allerdings keinen Grund für ein solches Manöver.
    Fast den gesamten Rest des Fluges verbrachte ich in übellauniger Stille und starrte in den Schnee, der uns entgegenkam. Ich hätte nicht viel anderes tun können. Der Scherzkeks war ein gewisser Lieutenant Geoffrey Reynolds, der mir von einem bemerkenswerten Ereignis auf einem seiner Flüge erzählte. Bei der Rückkehr von einer Patrouille hatte er ein U-Boot an der Wasseroberfläche gesehen. Es war schnell abgetaucht, sobald es ihn bemerkt hatte, aber er hatte mit zwei Anti-U-Boot-Bomben angegriffen, die direkt vor dem Kielwasser explodierten waren ...
    »Das U-Boot wurde buchstäblich aus dem Wasser gebombt. Hat sich noch mal mit dem Heck aufgebäumt, bevor es gesunken ist. Ich war mächtig stolz, das kannst du mir glauben, und im Hauptquartier waren sie auch zufrieden.«
    Ich stellte mir vor, wie das U-Boot in einem sich ausbreitenden Fleck von Luftblasen, Öl und Treibgut unterging.
    »Wenn das U-Boot Zeit gehabt hätte, Luftunterstützung anzufordern, hätten sie sich wahrscheinlich weniger gefreut«, setzte Reynolds fort. »Andererseits ist nichts so haarig, wie kaputte Instrumente von Wetterschiffen einzusammeln. Die Besatzungen werfen die in einer wasserdichten Tasche an einem Seil aus, das an einer Boje hängt, und wir müssen dann tief runter und das Seil mit einem Haken einsammeln, der vom Fahrwerk hinuntergelassen wird.
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