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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin
Autoren: Ira Miller
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Schlinge. Dicke, graue Wolken rollten gemächlich über den Himmel. Der Winter war immer noch da. In meiner dünnen Strickjacke, die jetzt lose über der einen Schulter hing, fror und zitterte ich.
    Ich hatte schon im Krankenhaus zwei Pillen genommen, obwohl nur eine vorgeschrieben war. Als ich es endlich fertig gebracht hatte mich auszuziehen, die Bettdecke um mich zu wickeln und meinen Arm auf einen Berg Kissen aufzustützen, hatte ich das Gefühl, der ganze Unrat wäre aus meinem Kopf herausgesaugt worden. Innen befand sich nur noch ein großes Vakuum, das von meinem Schädel eingeschlossen wurde. Ich zitterte immer noch.
    Ich muss wohl so vierzehn Stunden geschlafen haben. Als ich die Augen aufmachte, schoss meine Hand in stechendem Schmerz in die Höhe. Mein Kopf tat auch weh. Meine Zunge war dick und trocken wie Sägemehl. Ich schluckte zwei weitere Pillen mit Ginger Ale hinunter und benetzte damit den trockenen Mund und die raue Kehle. Schlaf. Ich blieb im Bett, und das Schmerzmittel betäubte mich von neuem. Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war es dunkel. Gegen meine Schläfen hämmerte ein Springball, und ein Ring spannte sich fest um meine Stirn. Wieder nahm ich zwei Tabletten. Meine Hände zitterten, und ich wusste, dass ich innerlich ausbrannte. Essen. Ich konnte zwei feuchte Kekse hinunterschlucken und trank noch ein Glas Milch, bevor ich alles wieder hochwürgte.
    Da ich nicht wieder einschlafen konnte, begann ich durchs Wohnzimmer zu rasen. Ich wünschte mir nichts sehnsüchtiger, als den Knopf zu finden, mit dem ich mein Gehirn ausschalten konnte. Ich nahm den Telefonhörer auf und klemmte ihn zwischen das linke Ohr und die Schulter.
    Dann eine Pause. Mir fiel die Nummer der Auskunft nicht mehr ein. Mit Hilfe des Amtes, das große O (für
Operator)
konnte ich gerade noch erkennen, fand ich die Nummer des Motels in Seattle heraus.
    »Hallo, spreche ich mit dem Geschäftsführer?« Meine Stimme war rau und belegt. Meine Augen fühlten sich staubtrocken an.
    »Jaah!«, war die genuschelte Antwort. »Kurzer, stämmiger Kerl?«
    »Genau der.«
    »Hören Sie zu, hier ist der Typ, Sie wissen schon, der Sie in die Fresse…«
    »Hurensohn! Ich …«
    »Moment!«, rief ich und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. »Ich hatte den Kopf verloren. Bitte. Ich war in einer ziemlich schlimmen Situation. Ich hab gar nicht mehr nachgedacht.«
    »Verdammt noch mal, Mr. Caulfield, ich habe die Polizei alarmiert«, sagte er frohlockend.
    Ich sah das Gefängnis sofort vor mir. Ich, allein, ohne Besucher, in einer Zelle, eingesperrt, einsam und verlassen, die Zeit totschlagend und mir einmal die Stunde einen runterholend.
    »Ich komme für den Schaden auf. Der Name und die Adresse, die ich Ihnen gegeben habe, stimmen nicht. Und das Mädchen, das bei mir war, ist auch nicht meine Frau …«
    »Glauben Sie wirklich, dass der Geschäftsführer eines Motels sich einen Scheiß drum kümmert, wer mit wem verheiratet ist?«
    »Die Polizei wird mich niemals finden. Lassen Sie mich bezahlen. Behalten Sie das Geld, das ich Ihnen für beide Nächte gegeben habe. Ich bin wirklich …«
    »Sie sind ein gutes Herz, Baby, aber sie stecken ganz schön tief in der Scheiße. Ich hatte mir ihre Autonummer notiert. Ich weiß, dass es die richtige ist.«
    »Wie geht es Ihrem Mund?«
    »Eh, ja …« Ich hörte, dass er seine Verlegenheit kaschieren musste. »Nur ein kleiner Schnitt, innen an der Lippe.«
    »Meine Hand ist gebrochen. Gleich zwei Knochen. Sie müssen einen Kiefer wie ein Bulle haben.«
    »Wollen Sie mich verarschen? Zwei Knochen?«
    »Ich habe einen Gips bis hinauf zum Ellenbogen.«
    »Da soll mich doch einer …«
    »Hören Sie, lassen Sie mich Ihnen Geld schicken.« Ich war verzweifelt bemüht, ihn zu überzeugen. »Blasen Sie das mit der Polizei ab, und lassen Sie uns die ganze Geschichte vergessen. Es tut mir wirklich sehr Leid.«
    »Ich weiß nicht so recht …«
    »Kommen Sie. Sind mit Ihnen noch niemals die Pferde durchgegangen?«
    »Darauf können Sie wetten«, antwortete er stolz. »Neulich zum Beispiel habe ich meine Frau mit dem Gürtel … Na ja, wie dem auch sei, das kostet Sie fünfundsiebzig Dollar für die Lampe.«
    »Gehört schon Ihnen.«
    »Ja, okay. Schicken Sie das Geld her, und ich pfeife die Polizei zurück.« Ich atmete erleichtert auf. »Hey, wissen Sie, dass Sie ziemlich flinke Fäuste haben? Ich hab mal ’n bisschen Amateurboxen gemacht, nur so zum Spaß. Ihre Faust habe ich überhaupt nicht
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