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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Pancol
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Papa ist etwas zugestoßen, ich bin mir ganz sicher. Sie steckte den Kopf zur Tür hinaus und rief durch den Flur nach ihrer Mutter.
    Joséphine kam zu ihr ins Zimmer.
    »Papa ist etwas zugestoßen, und du willst es mir nicht sagen …«
    »Hör zu, Liebes …«
    »Maman, ich bin kein kleines Kind mehr. Ich bin nicht Zoé. Ich will es wissen.«
    Ihre Stimme klang so kühl und entschlossen, dass Joséphine sie in die Arme nehmen wollte, um sie auf das vorzubereiten, was kommen würde, aber Hortense machte sich brüsk von ihr los.
    »Lass dein blödes Getue! Er ist tot, stimmt’s?«
    »Wie kannst du so etwas sagen, Hortense?«
    »Weil es die Wahrheit ist, hab ich recht? Sag, dass ich recht habe …«
    Sie starrte ihre Mutter mit verschlossener, feindseliger Miene an, forderte sie mit ihrer Wut heraus. Ihre Arme hingen starr an ihrem Körper herab, mit ihrer ganzen Haltung wies sie sie zurück.
    »Er ist tot, und du traust dich nicht, es mir zu sagen. Er ist tot, und du hast eine Scheißangst. Aber was bringt es, uns anzulügen? Irgendwann musst du es uns ja doch sagen! Und ich will es lieber sofort wissen
… Ich hasse Lügen, Geheimnisse und Leute, die einem ständig etwas vormachen!«
    »Er ist tot, Hortense. Ein Krokodil hat ihn gefressen.«
    »Er ist tot«, wiederholte Hortense. »Er ist tot …«
    Sie wiederholte die Worte mehrmals, aber ihre Augen blieben trocken. Joséphine versuchte erneut, auf sie zuzugehen und einen Arm um ihre Schultern zu legen, aber Hortense stieß sie mit aller Kraft von sich, sodass Joséphine aufs Bett fiel.
    »Fass mich nicht an!«, brüllte sie. »Fass mich nicht an!«
    »Was habe ich dir denn getan, Hortense? Was habe ich getan, dass du so grausam zu mir bist?«
    »Ich ertrage dich einfach nicht, Maman. Du machst mich wahnsinnig! Du bist so … Du bist einfach so …«
    Ihr fehlten die Worte, und sie seufzte zornig, als sei der Abscheu, den ihre Mutter ihr einflößte, zu groß, um ihn in Worte zu fassen. Joséphine ließ die Schultern hängen und wartete. Sie verstand den Kummer ihrer Tochter, sie verstand ihre Wut, was sie nicht verstand, war, warum sich dieser Kummer und diese Wut gegen sie richteten. Hortense ließ sich neben sie aufs Bett fallen, aber weit genug entfernt, um sie nicht zu berühren.
    »Als Papa arbeitslos war … als er die ganze Zeit zu Hause rumhing … da wolltest du uns mit deinem braven, scheinheiligen Getue einreden, dass alles in Ordnung sei, dass Papa ›Arbeit sucht‹, es sei doch alles nicht schlimm, und bald werde alles wieder genauso sein wie früher. Aber es ist nie wieder so geworden wie früher … Du hast nur versucht, uns das einzureden, und du hast versucht, es ihm einzureden.«
    »Was hätte ich denn sonst tun sollen? Ihn rauswerfen?«
    »Du hättest ihn aufrütteln sollen, ihn zwingen sollen, den Tatsachen ins Auge zu sehen, und ihn nicht noch in seinen Illusionen bestärken! Aber du mit deinem ewigen Blabla … Du hast uns irgendeinen Mist erzählt! Du hast immer versucht, alles mit deinen Lügen wieder glatt zu bügeln.«
    »Auf mich bist du wütend, Hortense?«
    »Ja, auf dich bin ich wütend und auf dein ach so liebes, sanftes, total bescheuertes Getue! Auf deine Scheißgroßzügigkeit und deine
dämliche Nettigkeit! Ich bin wütend auf dich, Maman, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie wütend ich auf dich bin! Das Leben ist hart, so unglaublich hart, und du tust immer so, als wäre es das komplette Gegenteil, du willst, dass sich alle lieb haben, dass alle miteinander teilen, dass alle aufeinander hören. Aber das ist doch Scheiße! Die Leute haben sich nicht lieb, sie zerfleischen sich! Oder sie haben dich lieb, weil du ihnen was zu fressen gibst! Du hast echt nichts kapiert. Kniest da wie eine bescheuerte Kuh auf deinem Balkon und heulst oder sprichst mit den Sternen! Glaubst du, ich hätte nie gehört, wie du mit den Sternen sprichst? Am liebsten hätte ich dich über das verdammte Geländer geworfen. Die Sterne müssen sich totgelacht haben über dein kindisches Gelaber, auf Knien und mit gefalteten Händen. In deinem billigen, unansehnlichen Pullöverchen, deiner Schürze, mit deinem platten, strähnigen Haar. Du hast gejammert, hast sie angefleht, dir zu helfen, glaubst du im Ernst, ein strahlender Engel käme vom Himmel runter und würde all deine Probleme lösen? Du hast mir leidgetan, und gleichzeitig habe ich dich gehasst! Also bin ich ins Bett gegangen und habe mir vorgestellt, ich hätte eine stolze, gnadenlose
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