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Die Geishas des Captain Fishby

Die Geishas des Captain Fishby

Titel: Die Geishas des Captain Fishby
Autoren: Vern Sneider
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schlug derweil Captain
Fisby ebenfalls mit der Faust auf den Tisch, daß es krachte. Er hatte sich zu seiner
ganzen Größe — die beklagenswerterweise nur 1,68 Meter betrug — erhoben. Das
eine Hosenbein war wie üblich aus dem Schuh herausgerutscht. Der Schweiß stand
ihm auf der Stirn und auf dem Schädel, wo das Haar bereits recht schütter war.
Man konnte kaum behaupten, daß er sehr militärisch wirkte. Gewiß hätte sich
kein Bildhauer ihn als Modell für ein Denkmal herausgesucht, das etwa auf dem
Marktplatz einer Stadt stehen und die Jugend und den Geist des amerikanischen
Soldaten im zweiten Weltkriege verkörpern sollte. Aber zu Hause hatte man ihn
zur Weihnachtszeit jedesmal dringend gebraucht. Im Börsenklub waren alle der
Meinung, daß er der beste Weihnachtsmann war, den sie je gehabt hatten.
    Jetzt zeigte er ein ungewohnt strenges
Gesicht und drohte dem jungen japanischen Dolmetscher mit dem Finger. „Sakini“,
brüllte er, „ich sage es dir zum letzten Mal: schaff die Ziegen hier ‘raus!“
    Sakini kratzte sich in seinem dicken
schwarzen Haarschopf. „Aber Chef, sie sind doch so gerne hier drin. Es ist hier
so schön kühl unter dem Strohdach. Sie werden sehr traurig sein, wenn sie in
die heiße Sonne hinausmüssen.“
    Eine Ziege meckerte wie zur
Bekräftigung dieser Worte, und Fisby schlug also noch einmal mit der Faust auf
den Tisch. „Es ist mir ganz gleich, ob sie traurig sind. Ich will nicht, daß
sie hier in der Kommandantur herumlungern. Dies ist ein Dienstraum und kein
Ziegenstall. Also ‘raus mit ihnen!“
    Obwohl Sakini es nicht begreifen
konnte, nickte er. „Okay, Chef.“ Dann sprach er schnell im Luchuandialekt mit
einer Gruppe von Japanern, die in der Kommandantur versammelt war, und sie
begannen miteinander die Ziegen hinauszutreiben.
    In der anderen Ecke des Raumes
richtete sich Korporal Barton auf seinem Feldbett auf und bückte sich weit
hinunter, um sich dessen zu vergewissern, daß auch keine Ziege übersehen worden
sei. Dann sank er wieder auf seine Lagerstatt zurück.
    „Mach jetzt die Tür zu!“ befahl
Captain Fisby. „Und daß sie mir geschlossen bleibt! Und vergiß nicht wieder,
daß dies ein Dienstraum ist!“
    Von draußen hörte man das kläglich
protestierende Gemecker der Ziegen, aber Fisby achtete kaum darauf. In den
wenigen Monaten, seit er Kommandant von Tobiki war, hatte er sich an diese
meckernden Ziegen
    gewöhnt. Durch die primitive
Bambusjalousie vor dem winzigen, kaum eine solche Bezeichnung verdienenden
Fenster blickte er ihnen noch einmal nach. Befriedigt darüber, daß sie jetzt
wirklich alle draußen waren, setzte er sich bequem auf seinem Drehstuhl zurecht
und wandte sich wieder der Gruppe von Japanern zu, die vor seinem Schreibtisch
stand. „Nun“, sagte er und rieb sich dabei den Kopf, „wo waren wir
stehengeblieben? Ach richtig, Herr Motomura hier möchte in unser Dorf ziehen.“
    Sakini nickte eifrig. Er mochte
allerhöchstens zweiundzwanzig Jahre alt sein. Heute trug er ein zu weites
Turnhemd, in das das Wort „Princeton“ eingestickt war (ein Geschenk von Fisby,
der es sich für die Turnstunden angeschafft hatte, als er dort auf der
staatlichen Militärschule war), ein Paar von Fisbys Armeestiefeln und eine
Arbeitshose, deren Umschläge er sich selbst gemacht hatte. Wenn es einen
Modefex auf Okinawa gegeben hätte, so wäre Sakini es bestimmt gewesen.
    „Richtig, Chef“, sagte Sakini. „Er
will in unser Dorf ziehen. Und hier — er hat sogar ein Empfehlungsschreiben.“
    Herr Motomura hatte tatsächlich ein
Empfehlungsschreiben. Es stammte von Leutnant Fay in Awasi und war an Captain
Fisby gerichtet. Aber es besagte lediglich, daß Herr Motomura und seine Familie
um Zuzugsgenehmigung in Tobiki ersuchten und daß Fisby dem zustimmen möge. Das war
alles.
    Fisby runzelte die Stirn. Mit
gemischten Gefühlen dachte er an einen Handel, der erst vor kurzem mit Leutnant
Fay abgeschlossen worden war. Sie hatten Pferde miteinander getauscht, und
obwohl Fisby für zehn nur fünf bekam, bedurfte es kaum eines Pferdefleischexperten,
um festzustellen, wer dabei nun am besten abgeschnitten hatte. Fisby war
deshalb davon überzeugt, daß Fay sich an ihm rächen wolle, und also auf der
Hut. Und doch blieb dieser kleine Herr Motomura ein Rätsel für ihn.
    Ohne Zweifel schien das ein
bedeutender Mann zu sein. Fisby schloß es aus dem weißen Leinenanzug und dem
Panamahut, den Motomura trug. Bisher war er hier immer nur Leuten mit
zerschlissenen
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