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Die Geisel

Titel: Die Geisel
Autoren: Michael Katz Krefeld
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zusammen auf die Grundschule gegangen.«
    Skouboe konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Wie würde ich mich freuen, wenn ich noch so alte Freunde hätte. Aber ich glaube, meine Klassenkameraden sind schon alle unter der Erde.«
    Maja lachte. »So alt bist du nun auch wieder nicht«, entgegnete sie und kam mit Mühe auf die Beine. Dieser Bauch. Diese Hitze. Sie glaubte zu zerfließen.
    »Ja, vielleicht hast du recht. Zumindest bin ich derzeit beweglicher als du«, entgegnete er lachend und ging wieder in sein Büro.
    Sie stieß das Fenster auf. Draußen stand die Luft. Die Panoramafenster waren wie ein Brennglas, hinter dem sie langsam gegrillt wurde.
    Draußen erblickte sie Katrine und ihren Kollegen, die in diesem Moment zu dem schwarzen Ford Mondeo schlenderten, der auf ihrem Stellplatz stand. Es überraschte Maja nicht im Geringsten, dass es Katrine war, die dort geparkt hatte. Es überraschte sie allerdings, dass sie eine Anstellung bei der Polizei gefunden hatte. Noch dazu in einer Führungsposition. Sie konnte sich noch bestens daran erinnern, wie Katrine mit ihrer Bande Furcht und Schrecken auf dem Schulhof verbreitet hatte. Damals verkniff man es sich lieber oder suchte sich einen Busch, statt die Toiletten aufzusuchen, die von der Bande kontrolliert wurden. Und sie wusste noch genau, zu welchen Gemeinheiten Katrine imstande gewesen war.
     
    Maja und Stig fuhren die Hauptstraße hinunter. Sie waren auf dem Weg zu Monas muffigen Matratzen, wie sie den Geburtsvorbereitungskurs im Nachbarschaftshaus getauft hatten. Heute fand er das letzte Mal statt, was ihnen sehr recht war, da ihnen Mona mit ihrer infantil-pädagogischen Art gewaltig auf die Nerven ging. Die Sonne stand immer noch hoch am Himmel, hatte aber ein wenig an Kraft verloren. Es war gegen sechs Uhr abends, und die Leute kamen allmählich wieder auf die Straße, als kehrten sie nach einer wohlverdienten Siesta zurück. Doch sobald die Dämmerung hereinbrach, würden sie wieder in ihren Häusern verschwinden, die Haustür verriegeln und sich vergewissern, dass alle Fenster hermetisch geschlossen waren.
    Sie blickte kurz zu Stig hinüber, der im Ekstra Bladet blätterte. Auf der Titelseite waren die drei ermordeten Jungen abgebildet. Dazwischen befand sich ein schwarzer Kasten mit einem weißen Fragezeichen darin. »Wer ist der Nächste?«, lautete die Überschrift. »Warum hast du diese Zeitung gekauft?«, zischte sie.
    Stig zuckte die Schultern. »Um dänisch zu lernen.«
    Sie schüttelte den Kopf, ohne den Blick von der Straße zu wenden.
    »Hattest du einen schönen Arbeitstag«, fragte er lächelnd.
    Sie antwortete nicht. Katrines Besuch irritierte sie immer noch - wie ein lästiger Stein im Schuh, den man nicht loswurde. Sie hoffte natürlich, dass Katrines Suche erfolgreich sein würde, hatte jedoch das Gefühl, dass die Polizei noch weit von der Lösung der Fälle entfernt war. Wenn jede Arztpraxis im Bezirk über achtzig Personen herausfilterte, wäre die Menge der Verdächtigen riesengroß. Es würde Monate dauern, sie alle zu überprüfen, und dennoch gab es keine Garantie, dass sich der Täter auf der Liste befand. In der Zwischenzeit konnte ihn niemand daran hindern, neue Verbrechen zu begehen. Mitten in dem Viertel, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Sie hoffte inständig, dass sich die Ermittlungen der Polizei nicht ausschließlich auf diese Liste stützten.
    Sie streckte den Arm aus und strich sanft über Stigs Oberschenkel. »Wie ging’s denn bei dir? Bist du mit dem Schreiben gut vorangekommen?«
    »So einigermaßen«, murmelte er und legte die Zeitung vor der Windschutzscheibe ab. Die toten Jungen auf der Titelseite starrten sie an.
    »Bei all den Ablenkungsmanövern, die ich mir einfallen lasse, wird zumindest das Badezimmer bald fertig gestrichen sein«, entgegnete er.
    Sie löste ihren Blick von der Fahrbahn und lächelte ihn kurz an.
    »Morgen wirst du bestimmt weiterschreiben können. Du hast so viel Talent.«
    Er nahm ihre Hand und drückte sie etwas zu fest. »Wird schon werden«, sagte er.
    Sie spürte sein schlechtes Gewissen.
     
    Mit dem Lift fuhren sie in den zweiten Stock des Nachbarschaftshauses. Gemeinsam mit sieben anderen Paaren nahmen sie auf den muffigen Gummimatratzen Platz. Mona trug ein blaues Batikkleid und hatte tellergroße Schweißflecken unter den Achseln. Sie umarmte alle und brachte die Männer dazu, »Backe backe Kuchen« zu singen und vor den schwangeren Bäuchen in die Hände zu
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