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Die Geisel

Titel: Die Geisel
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Mann.
    »Woran denkst du?«
    Sie seufzte. »Nichts Besonderes.«
    »Komm schon!«
    Sie drehte sich zu ihm um. »Ob wir miteinander glücklich werden.«
    »Sind wir das nicht schon?«
    Sie nickte. »Doch, aber manchmal werde ich eben ein bisschen unsicher. Es geschehen so viele Veränderungen. Und alles geht so furchtbar schnell …«
    Er drückte sie an sich. »Ich bin mir sicher, dass wir alles schaffen werden.«
    »Hast du Jeanettes Stilettos gesehen?«, fragte Maja. »Die dumme Kuh hat überall ihre Abdrücke hinterlassen. Stilettos auf Privatfesten sollten gesetzlich verboten werden. Egal ob sie draußen oder drinnen stattfinden.«
    Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
     
    Am anderen Ende der Stadt saß Søren in seinem Lieferwagen und schaute durch die Windschutzscheibe. Er betrachtete die dunkle Villa, die vor ihm lag. Sie war erst kürzlich modernisiert worden und erinnerte ihn mit ihren glasierten Dachziegeln und der frisch verputzten Fassade an eine Torte. Er hatte den Sitz ganz zurückgestellt, damit er nicht von der Straßenbeleuchtung erfasst wurde. Trotz seiner Erregung saß er bewegungslos da und atmete ruhig und gleichmäßig. Er konnte das Haus spüren. Vernahm es in seinem Inneren. Er rief sich all seine Zimmer ins Gedächtnis und wusste, wie sie von innen aussahen. Er hätte im Dunkeln durch das Haus gehen können, ohne ein einziges Mal gegen Möbel oder Wände zu stoßen. Hätte lautlos von Raum zu Raum schleichen können, ohne die geringsten Spuren zu hinterlassen. Das Leben hatte ihn gelehrt, unsichtbar zu bleiben. So ließ man ihn in Frieden.
    Er kannte die Bewohner des Hauses, die er observiert hatte. Kannte ihren Tagesablauf. Wusste, wann sie zur Arbeit oder zur Schule gingen, wann sie aßen und wo jeder von ihnen schlief.
    Bald würde Pan wieder fliegen, zum Fenster des Kinderzimmers hinein. Auf der Suche nach seinem Schatten. Es gab so viele verlorene Jungen in dieser Welt, und er wünschte sich brennend, sie alle nach Nimmerland mitzunehmen. Das hatten sie verdient. Dieser Gedanke machte ihn glücklich.
     

3
    In ihrem silberfarbenen vierradgetriebenen Mercedes ML 500 bog Maja auf den Parkplatz vor dem Ärztehaus ein. Im Radio lief Donna Summers’ alter Hit »Hot Stuff«. Sie rollte durch die Reihen parkender Autos, bis sie ihren persönlichen Stellplatz erreicht hatte. Die heiße Luft flimmerte über dem Asphalt, der sich leicht gewellt hatte. Sie liebte ihr neues, für ein kleines Vermögen geleastes Auto. Von den Kollegen der Unfallambulanz wusste sie, dass Größe alles bedeutete, wenn man bei einem Verkehrsunfall mit heiler Haut davonkommen wollte. Wenn Walnuss erst mal auf der Welt war, sollte er so hoch über den anderen Verkehrsteilnehmern in seinem Kindersitz thronen, dass ihm nichts passieren konnte. Und einfach von der Straße drängen würde sie auch keiner.
    Gerade wollte sie routinemäßig auf ihr Parkfeld einschwenken, als sie überrascht auf die Bremse treten musste. Ein schwarzer Ford Mondeo stand auf ihrem Platz. Am liebsten hätte sie ihn einfach beiseitegeschoben, stattdessen drehte sie eine Runde über den gesamten Platz und war schließlich gezwungen, in größtmöglicher Entfernung vom Eingang zu parken.
    Um den letzten kühlen Hauch der Klimaanlage zu genießen, wartete sie kurz, ehe sie ausstieg. Im Büro hatte sie nur einen kleinen Tischventilator, und der gab Maja höchstens das Gefühl, jemand würde ihr warm ins Gesicht rülpsen. Ein weiterer brütend heißer Tag stand ihr bevor.
     
    Im dritten Stock winkte Maja den beiden Sekretärinnen am Empfang zu. Sie trugen beide ein Headset, notierten die Termine des heutigen Tages und schienen vor Hitze bereits umzukommen, weshalb sie nahe an den Ventilator herangerückt waren, den sie sich teilten. Die Sekretärin, die näher an der Tür saß, winkte kurz zurück.
    In diesem Moment kam Alice am gegenüberliegenden Ende des Raumes aus der Teeküche. Alice war eine zierliche Dame Ende sechzig. Sie trug ein elegantes Kostüm und erinnerte an eine gealterte Grace Kelly. Maja hoffte inständig, einst mit der gleichen Würde zu altern wie Alice.
    »Vielen Dank für dein wunderbares Fest. Wir haben uns großartig amüsiert«, sagte Alice mit ihrer affektierten Stimme, während sie Maja entgegenkam.
    »Ich habe für die vielen Geschenke zu danken«, entgegnete Maja.
    Bei Maja angekommen, nahm sie sie vorsichtig in den Arm. Alice duftete angenehm nach frisch gebrühtem Kaffee und Chanel No.5.
    Alice war bereits seit
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