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Die Geisel

Titel: Die Geisel
Autoren: Michael Katz Krefeld
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In Wahrheit war dies momentan der einzige Lichtblick. Die schlüpfenden Maden würden dem Pathologen helfen, den Todeszeitpunkt festzustellen. Sie erkannte deutlich die Flecken an Olivers Hals. Er war erwürgt worden, kein Zweifel. Sie betrachtete seine gefalteten Hände. Katrine zog einen Kugelschreiber aus der Tasche. Die Totenstarre hatte bereits eingesetzt, und sie wusste, dass man die Finger in diesem Stadium nicht mehr voneinander trennen konnte. Stattdessen schob sie den Kugelschreiber vorsichtig unter den Händen hindurch und zog das Glanzbildchen mit dem Peter-Pan-Motiv hervor. Es entsprach genau denjenigen, die sie bei den anderen Opfern gefunden hatte.
    »Wieder derselbe Täter?«, fragte Tom. Er ließ erschöpft die Arme hängen. Das meterhohe Schilf machte ihn kleiner als er war.
    Auf dem Rückweg durch das Schilf instruierte sie Tom, welche Techniker sie aus den verschiedenen Abteilungen haben wollte.
    Als sie aus dem Schilf herauskamen, ging sie zum Einsatzleiter der Hundestaffel.
    »Hat Ingeman immer noch diese hässliche Promenadenmischung?«
    »Den Spermaschnüffler? Ja, der erfreut sich bester Gesundheit.«
    »Würde der auch hier was finden, und wenn es nur die geringsten Spuren sind?«
    »Der Köter würde sogar Samenflecken auf einer Nonne erschnuppern.«
    »Dann bring ihn hierher. Wenn unser Täter auch nur den kleinsten Tropfen verloren hat, dann will ich, dass der bei uns im Labor landet.«
    Tom kam zu ihr. »Normalerweise hinterlässt er doch überhaupt keine Spuren.«
    Katrine zuckte die Schultern. »Vielleicht haben wir diesmal ja mehr Glück.« Sie ließ ihren Blick in die Runde schweifen. »Ingeman wird die Lichtung als Erster durchsuchen. Noch vor den Rechtsmedizinern, vor den Technikern oder irgendjemandem sonst, habt ihr das verstanden?«
    Alle nickten.
    »Tom, du übernimmst hier die Leitung, bis ich wieder da bin.«
    »Wo willst du hin?«
    Sie wandte den Blick ab. »Zu Olivers Eltern, um ihnen zu sagen, dass ihr Sohn nicht zurückkommen wird.«
    Katrine stapfte allein durch den Wald, während die Beamten ihr nachblickten. Drei Jungen waren in ebenso vielen Monaten getötet worden. Seit dem Einsetzen der großen Hitze. Obwohl die Sonne untergegangen war, herrschte immer noch eine brütende Wärme.
     

2
    Maja begrüßte Annbrit und Carsten im Eingangsbereich.
    »Hallo und herzlichen Glückwunsch«, sagte Annbrit.
    Die Kindheitsfreundin und ihr Mann waren die letzten Gäste, die eintrafen. Maja war froh darüber, nicht noch mehr Leute umarmen zu müssen. Vor allem, weil sie so schwitzte und sich selbst riechen konnte. Aber auch, weil ihr schwangerer Bauch jede Form des körperlichen Kontakts erschwerte. Als wollte man sich auf die Wange küssen, ohne darin einig zu sein, auf welcher Seite man anfängt, und stattdessen nur die Nasen aneinanderreibt.
    »Was hast du für einen wundervollen Bauch und was siehst du fabelhaft aus!«
    »Danke«, entgegnete Maja, die sich eher unbeweglich und fett vorkam.
    »Maaaja, wir brauchen Apfelessig!«, rief ihre Mutter aus der Küche.
    Der festliche Empfang aus Anlass ihrer abgeschlossenen Facharztausbildung entwickelte sich immer mehr zu einem Albtraum. Von diesem Tag an hatte Maja es schwarz auf weiß, dass sie eine eigene Praxis betreiben durfte, doch am liebsten hätte sie sich selbst in ärztliche Behandlung begeben.
    Sie blickte zu Stig hinüber, der in diesem Moment auf den Flur trat. Er hatte zur Feier des Tages ein weißes Hemd angezogen, seine strubbeligen Haare aber standen wie immer in alle Richtungen ab.
    »Stig, mein Schatz, könntest du meiner Mutter ein bisschen unter die Arme greifen?« Die Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Viel zu warm war es hier, viel zu viele Leute waren gekommen, sie hatte Sodbrennen und Hitzewallungen und musste zu allem Überfluss auf die Toilette.
    Stig gab Annbrit und Carsten die Hand. »Hallo und herzlich willkommen«, sagte er mit breitem norwegischen Akzent.
    »Stig, meine Mutter …« Maja sah ihn flehentlich an.
    Er küsste sie rasch auf die Stirn. »Tut mir leid, aber deine Mutter hat mir den Aufenthalt in der Küche strengstens verboten. Jetzt sorge ich erst mal dafür, dass ihr was zu trinken bekommt.«
    Er führte Annbrit und Carsten auf die Terrasse zu den übrigen Gästen.
    »Maaaajaa! Wir brauchen immer noch Apfelessig!« Die Stimme ihrer Mutter hatte sich eine Oktave nach oben geschraubt.
    Maja hatte Mühe, sich im engen Flur umzudrehen, und watschelte in die Küche.
    »Könntest
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