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Die Gehilfen des Terrors

Die Gehilfen des Terrors

Titel: Die Gehilfen des Terrors
Autoren: Stefan Wolf
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wohnte im zweiten Stock, lebte allein, hatte eine kleine
Wohnung in Nordwestlage und zwei Halbtagsjobs: an der Tankstelle und als
Küchenhelfer in einem Fast-Food-Restaurant. Er hatte zu allem eine Meinung und
nervte seine Zuhörer mit Verbesserungsvorschlägen für Innen-, Außen- und
Weltpolitik. Angeblich fütterte er jeden Tag die Tauben im Cosima-Park. Aber
Bruno hielt das für gelogen. Für ihn war Nahgast ein Schwätzer und Heuchler.
    „Hallo, Bruno! Ich trinke ein
Pils.“
    Der Wirt erwiderte den Gruß und
begann, das Bier zu zapfen. Nahgast zündete sich einen Zigarillo an und
lächelte schief.
    „Wie geht’s deiner Frau?“

    „Unverändert. Leider. Aber ich
weiß, dass Eva wieder aufwacht. Ich weiß es einfach.“
    Nahgast nickte. „Klar. Ist nur
eine Frage der Zeit.“
    Er war hager, kleidete sich
schlampig, hatte ein spitzes Gesicht und meistens einen stechenden Blick. Zu
langes, fettiges Haar. An der Tankstelle mochte man das hinnehmen. Aber als
Küchenhelfer war er eindeutig zu ungepflegt, zu schmuddelig. Von allen
Poseidon-Mietern war er — nach Brunos Ansicht — der mieseste.
    „Die Polizei hat noch nichts
ermittelt?“
    Das war seine ständige Frage.
Sie bezog sich auf das Verbrechen an Eva. Brunos Frau war das Opfer eines
Überfalls geworden — spätabends auf dem Heimweg, auf den letzten Metern durch
den Park der Poseidon-Villa. Eva war mit einer Freundin im Theater gewesen, war
hübsch gekleidet und trug ihren wertvollsten Schmuck.
    Der oder die Täter — vielleicht
Zufallstäter — lauerten hinter Büschen. Sie gingen brutal vor. Bruno, der nur
50 Meter entfernt hinter der Theke stand und die letzten Gäste bediente, hatte
keinen Hilfeschrei gehört. Niemand hatte irgendwas gehört. Der nächste Gast,
der sich verabschiedete, fand Eva. Sie war bewusstlos, war mit dem Hinterkopf
auf einen Begrenzungsstein geprallt. Die Täter hatten Schmuck und Handtasche
geraubt und sonst keine Spur hinterlassen. Seit dieser Nacht lag Eva im Koma.
    „Die Ermittlungen kommen nicht
voran“, sagte Bruno. „Es gibt keine Zeugen, keine Anhaltspunkte. Aber
vielleicht taucht Evas Schmuck irgendwann auf.“
    Er sagte das jedes Mal: seine
ständige Antwort auf Nahgast‘ Frage.
    Der hatte einen Ellbogen
aufgestützt und sich so gedreht, dass er durch die Fenster hinaussehen konnte:
in den Park, in den Regen.
    Über einen der Wege kamen vier
Kids, zwei Mädchen, zwei Jungen — etwa im Alter von 15. Sie trugen Regenjacken
und Jeans und wirkten heruntergekommen.
    „Wollen die etwa hierher?“
    „Hm.“
    „Zu dir, Bruno? In dein Lokal?“
    „Sie waren schon zweimal hier.
Sie trinken Coke oder Bier, sie verhalten sich ruhig und bezahlen. Ich wüsste
nicht, weshalb ich sie rausschmeißen sollte.“
    „Bruno!!!“ Nahgast‘ Stimme nahm
einen schrillen Klang an. „Das sind Straßenkinder, Strolche, Gesocks,
Rumtreiber, Junkies ( Drogenabhängige ). Die hausen drüben in dem
Abbruchhaus. Sie haben es besetzt.“
    „Bei mir nehmen sie keine
Drogen — falls sie’s überhaupt tun. Alles andere interessiert mich nicht.“
    „Bruno!!! Die gehören... ver...
jagt. Weg mit denen! Die sind Dreck.“
    „Mach halblang, Wilhelm. Das
sind ganz arme Typen.“
    „Die schnorren, leben vom
Betteln. Die rutschen immer tiefer. Und diese Ratten aus der Gosse lässt du in
deinen Laden?“
    „Wilhelm, hör auf, ja!“
    Die Eingangstür wurde geöffnet.
Die vier Jugendlichen kamen herein. Die Mädchen hatten sich geschminkt. Aber
darunter waren sie bleich wie Taubenkacke. Die Jungs grinsten unsicher. Der
Schmächtige hatte ein Tattoo auf der Wange.
    Nahgast wandte sich ab. Sein
Nattergesicht war wutrot. „Zahlen, Bruno! Ich gehe.“

3. Heerlager bei Viersteins
     
    Ein bisschen wie ein Heerlager,
dachte Tim — und meinte Karls Zimmer in der Vierstein-Villa — Karls Zimmer, das
sonst immer akkurat ( sorgfältig ) aufgeräumt ist. Jetzt waren drei Paar
nasse Schuhe hochkant an die Heizung gelehnt. Und auch Gaby hatte ihre
Gummistiefel ausgezogen. Aus Sympathie. Und wegen der Gemütlichkeit.
    Auch die Jeans der Jungs waren
vom Knie abwärts ziemlich feucht. Aber nur Klößchen hatte sein Beinkleid zum
Trocknen an den Fenstergriff gehängt und eine Wolldecke um sich geschlungen.
Gabys Cape und drei Wetterjacken hingen hier und da, tropften auf den
Parkettboden und verbreiteten den Duft einer überfüllten U-Bahn bei Regen.
Wirklich ein Heerlager. Außerdem wurde bereits an einem Kriegsplan geschmiedet.
    Gaby saß neben
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