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Die Gehilfen des Terrors

Die Gehilfen des Terrors

Titel: Die Gehilfen des Terrors
Autoren: Stefan Wolf
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ausgezogen und vielleicht auch die Jeans.
    Gaby musste lächeln bei dem
Gedanken. Aber das verging ihr sofort.
    Der pladdernde Regen hatte die
blechige Stimme übertönt. Außerdem sprach der Kerl leise, zischte die Worte
heraus. So böse, dass allein der Klang für Albträume sorgen würde.
    „...dreckiger Kanake!
Stinktier! Zecke! Von solchen wie dir haben wir hier genug! Hau ab in den
Busch, wo du hergekommen bist! Hast du mich verstanden?!“
    In Gaby schien sich die Seele
aufzubäumen. Um Himmels willen! Ihr Herz begann zu hämmern. Vor Empörung! Vor
Stress! Instinktiv spürte sie auch die Gefahr. Und hatte natürlich Angst. Aber
das ist niemals ein Grund zum Weggucken oder gar für unterlassene Hilfe.
    Nur noch drei Schritte — dann
konnte Gaby in das Durchhaus blicken, also in den tunnelfinsteren Durchgang des
alten Hauses, den Durchgang, der die Dieselsmock-Straße mit der parallelen
Weidenanger-Straße verbindet, die fast genauso aussieht und zurzeit — nämlich
seit Juni — eine Baustelle hat.
    Im Durchgang spielte sich ein
Drama ab. Die zigtausendste Wiederholung. Fremdenfeindlichkeit — das offenbar
nie endende Thema, weil es in Deutschland Menschen gibt, die Ausländer hassen —
nur weil es Ausländer sind.
    Ein junger Farbiger zitterte
vor Angst. Er mochte 20 sein, war klein und schmächtig, hatte ein gut
geschnittenes Gesicht und schokoladenbraune Haut. Seine Jacke — völlig
unzureichend für das Schlechtwetter — troff vor Nässe. Sein Outfit war die
Einladung zur Lungenentzündung. Aber er zitterte nicht deshalb, sondern weil
ihm der andere ein Messer an die Kehle hielt. Außerdem wurde der Bedrohte hart
an die schmutzige Betonwand gedrängt.
    Das Messer war zwar nur ein
Taschenmesser von der billigen Sorte und sah nicht sehr gefährlich aus, sondern
stumpf. Aber der Brutalo hatte es schon gebraucht, nämlich seinem Opfer über
den Handrücken gezogen. Dort tröpfelte Blut.
    Der Messertyp war mindestens
einen Kopf größer als der Farbige und vierschrötig wie ein Werttransport-Auto.
Gaby sah ihn von schräg hinten: einen dunklen Regencoat mit Kapuze. Die war
tief ins Gesicht gezogen. Regen floss ab von dem knielangen Mantel.
    „Aufhören! Sind Sie
wahnsinnig?!“ Gabys Stimme eilte eine Tonleiter hinauf. „Weg mit dem Messer!
Lassen Sie ihn los! Oder ich rufe die Polizei!“

    Der Kapuzenkopf drehte sich in
ihre Richtung. Aber Gaby sah nicht viel vom Gesicht. Die Kapuze verhüllte. Das
Halbdunkel verbarg. Immerhin — er hatte ein grobes, schlecht rasiertes Kinn und
einen fast quadratischen Schnurrbart in Fußabstreifer-Qualität.
    „Verschwinde, dummes Stück!“
    Gaby konnte seine Augen nicht
sehen.
    „Sie sollen ihn loslassen! Was
hat er Ihnen getan? Sehen Sie nicht, was für ein armer Kerl das ist!“
    „Kümmere dich um deine Sachen.
Dieser Kanake wird schon kapieren, dass er hier nicht erwünscht ist.“
    „Das haben Sie nicht zu
entscheiden. Vielleicht wird er in seinem Heimatland politisch verfolgt — und
dort würde man ihn umbringen.“
    „Das ist mir egal. Hier hat er
nichts zu suchen.“ Zwecklos!, dachte Gaby. Dieser Dumpfschädel will Randale.
Nur darum geht’s ihm und seinesgleichen — und wenn nicht Ausländer und
Asylsuchende ( Asyl = Zufluchtsort) der Grund wären, dann wäre es
was anderes. Widerlich! Kriminalität, die sich ein Deckmäntelchen umhängt und
mit einer Idee ausstaffiert. Gewalttäter mit Erbsengehirn fühlen sich dann
angesprochen und die Welt geht vor die Hunde.
    Jetzt konnte nur ein Trick
helfen. Und Gaby handelte sofort. Scheinbar hellauf begeistert äugte sie die
Straße entlang. Das lag nicht im Blickfeld des Messertyps. Gaby riss die Augen
auf und einen Arm hoch.
    „Dort kommt ein Streifenwagen!
Die Polizei! Hahaha! Jetzt kriegen Sie Probleme. Halloooooo! Hiiiiiiierher!“
    Mit einem Fluch, der in keinem
schultauglichen Wörterbuch steht, ließ der Kerl von seinem Opfer ab.
    „Verdammte Göre!“
    Er rannte los. Der Durchgang
war die ideale Fluchtstrecke. Nur wenige Schritte zur Weidenanger-Straße. Die
Schnürstiefel dröhnten. In dem engen Durchhaus verstärkte sich das Geräusch.
Gaby sah, wie er im Laufen das Messer wegsteckte.
    „Lauf ihm nach!“, forderte sie
den Farbigen auf. „Vielleicht kannst du feststellen, wo er wohnt. Dann zeigen
wir ihn an.“
    Aber der junge Mann rührte sich
nicht. Er zitterte noch immer und lehnte an der Wand, als würde er dort
festwachsen.
    „Verstehst du mich nicht?“
    „Doch. Ich verstehe. Danke
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