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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Autoren: Melissa Fairchild
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nächsten Moment krochen Fosters Finger über das Bett und griffen nach seiner Hand. Nun war ihm klar, warum die Finger des kleinen Mannes so seltsam aussahen. Die Häute, die sie miteinander verbanden, reichten fast hoch bis zu den Fingerknöcheln.
    Angewidert riss der Junge sich los. Foster war es gelungen, die beiden roten Tabletten an sich zu bringen, die er nun schwenkte wie ein Zauberkünstler. Als seine Hände in der Bewegung innehielten, waren die Tabletten fort.
    »Kluger Junge«, meinte er. »Jetzt wirst du es selbst herausfinden.«
    »Was soll ich denn herausfinden?«
    Foster sprang von seinem Rollwagen und schob ihn davon. Die Räder quietschten immer noch. Der Junge wollte ihm schon nachrufen, dass sie vermutlich mehr Öl brauchten, als Foster innehielt.
    Das Quietschen ging jedoch weiter, als hätte er gar nicht angehalten.
    Im Krankenzimmer brannte kein Licht. Die meisten anderen Kinder schliefen, nur er selbst saß aufrecht im Bett. Der kleine Buckelige stand mit seinem Rollwagen mitten im Raum.
    Und da war noch etwas: Ein winziger Schatten huschte über den gebohnerten Boden. Eine weiße Maus, die durch das Krankenzimmer auf sein Bett zulief.
    Die Maus hielt sich versteckt und schlüpfte zwischen den Beinen der Betten hindurch. Je näher sie kam, desto lauter wurde das Quietschen. Gebannt sah der Junge zu und fragte sich, wie sie wohl ins Gebäude gelangt sein mochte. Foster beobachtete die Maus ebenfalls und wandte langsam den Kopf, während sein Blick aus leuchtend blauen Augen dem kleinen Geschöpf folgte.
    Als die Maus den Rollwagen erreicht hatte, machte Foster einen Schritt vorwärts. Er bewegte sich so schnell, dass sein Körper vor den Augen des Jungen verschwamm und er an zwei Orten gleichzeitig zu sein schien. Wie ein Tänzer drehte er sich um die eigene Achse, hob den Fuß und zertrat die Maus.
    Das Quietschen verstummte.
    Wieder hob Foster den Fuß. Der Körper der Maus blieb einen Moment, gehalten von einem Band aus Gedärmen, daran kleben und fiel dann zu Boden. So leblos im Dämmerlicht sah ihr Fell nicht mehr weiß, sondern silbern aus.
    Nachdem Foster sich verstohlen umgesehen hatte, hob er die tote Maus auf und verstaute sie in der Tasche seines Kittels. Dann schob er seinen Rollwagen durch die Tür in einer Ecke des Krankenzimmers, die offenbar außer ihm niemand benutzte.
    Während der Junge in der Dunkelheit lag, fragte er sich, was merkwürdiger gewesen war – dass eine Maus auf der Station eines Krankenhauses herumlief oder dass ein Hausmeister sie zertrat.
    Oder war es eher die Tatsache, dass niemand sonst es bemerkt hatte?

    Obwohl er todmüde war, konnte er nicht einschlafen. Ständig schwebten die Gesichter von Professor Khan und Doktor Amelia Janssen über ihm wie zwei Luftballons. Erstaunlich, wiederholte der Khan-Ballon ein ums andere Mal. Wer bist du?, fragte der Amelia-Ballon. Der Junge wünschte sich eine spitze Nadel herbei, um sie zum Platzen zu bringen.
    Ab und zu wanderte sein Blick in die dunkle Ecke des Krankenzimmers, und er überlegte, ob Foster wohl wieder erscheinen würde. Einerseits hätte er sich darüber gefreut, andererseits aber auch nicht.
    Die restliche Zeit dachte er darüber nach, wovon die anderen Kinder wohl träumten. Vielleicht von ihren Familien. Sicher von ihren Erinnerungen. Er beneidete sie darum, denn ihm graute vor den Träumen, die ihm drohten, wenn er irgendwann einschlief. Es waren Träume von Feuer und Flucht und einer Dunkelheit, die ihn bei lebendigem Leib verschlingen wollte.
    Eine Weile glaubte er plötzlich, er sei tatsächlich eingeschlafen. Es war, als würde er an einen Ort transportiert, so tief, dass es dort keine Träume gab, nur eine stille, leere Landschaft, in der er für kurze Zeit aufhören konnte zu sein. Aber etwas holte ihn in die Wirklichkeit zurück: eine Männerstimme und ein flackerndes Licht, das ihn aus der Traumlosigkeit zog wie einen Fisch an der Angel, so dass er hellwach, gestrandet und nach Atem ringend liegen blieb.
    Das flackernde Licht kam von dem kleinen Fernseher neben seinem Bett. Jemand hatte ihn eingeschaltet, doch es war kein Mensch zu sehen.
    Es liefen die Spätnachrichten. Der Nachrichtensprecher kam ihm irgendwie bekannt vor.
    Er wollte den Fernseher gerade wieder abschalten, als vom Studio in einen Londoner U-Bahnhof umgeschaltet wurde. BAKER STREET, verkündete das Schild über dem Eingang.
    »Eine der erstaunlichsten Geschichten dieser Woche«, begann der Nachrichtensprecher, »handelt
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