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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Autoren: Melissa Fairchild
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dieser lästige Buckelige mit seinen schrecklichen Witzen. Wenn ich so rauskriege, warum ich mich umbringen wollte, nur zu.
    »Gut. Erinnerst du dich noch an die Nacht, in der du eingeliefert wurdest?«
    Das war einfach. »Nein. Ich kann mich überhaupt nicht mehr an den Unfall erinnern.«
    »Doch du weißt, dass du einen Unfall hattest?«
    Der Junge wollte schon sagen, nur weil Foster es ihm erzählt hatte, hielt aber inne. »Äh, tja, das habe ich mir eben so gedacht. Wegen der Verletzungen und so.«
    Amelias Blick hinter den Brillengläsern wurde argwöhnisch. »Was ist mit dem Tag vor dem Unfall? Woran erinnerst du dich da?«
    Diese Frage war noch einfacher. Er machte den Mund auf, um zu sprechen, doch es kamen keine Worte, denn da war nur Leere. Er spürte, wie er errötete.
    Offenbar war seine Verlegenheit Amelia nicht entgangen. »Kein Problem. Versuchen wir es mit etwas Leichterem. Weißt du noch, was du überhaupt in London wolltest?«
    »In London?«
    »Ja. Wohnst du hier, oder bist du nur zu Besuch?«
    »Keine Ahnung.«
    »Was ist mit deinen Eltern? Die machen sich sicher Sorgen um dich.« Offenbar nicht, hätte der Junge am liebsten erwidert. Sonst wären sie ja hier. »Wie alt bist du? Fünfzehn? Sechzehn?«
    Er musste bei jeder ihrer Fragen passen. Nach einer Weile nahm sie die Brille ab und wirkte ziemlich ratlos.
    »In Fällen wie deinem kommt es häufig zu Gedächtnisverlust«, stellte Amelia fest. »Allerdings habe ich den Eindruck, dass du uns etwas verheimlichst, etwas, das du vielleicht nicht einmal dir selbst eingestehen möchtest. Du kannst mir gegenüber absolut ehrlich sein. Wirklich. Falls du in Schwierigkeiten steckst … womöglich mit der Polizei … gibt es da sicher eine Lösung.«
    »Tut mir leid, aber ich …« Er starrte Amelia durch die Tränen an, die ihm plötzlich in den Augen standen. »Ich weiß ja nicht einmal meinen Namen.«
    Er schaute sich im Krankenzimmer um. Am liebsten wäre er aus dem Bett aufgestanden, zu einem der anderen Kinder hinübergegangen und einfach nur … normal gewesen. Doch sie erschienen ihm so weit entfernt, und er hatte den unangenehmen Verdacht, dass es nicht nur räumliche Distanz war, die sie voneinander trennte.
    »Ich erinnere mich an nichts. An absolut gar nichts.«
    Amelia legte eine kleine, blasse Hand auf seinen Arm. »Schon gut«, sagte sie freundlich. »Vielleicht besuche ich dich morgen wieder.«
    Er nickte und ließ sich zurück aufs Kissen sinken. Er hätte ihr so gerne geglaubt, aber es fiel ihm schwer. Die Zeit bis morgen kam ihm unüberbrückbar lang vor, und auch gestern war wie ein fremdes Land. Möglicherweise sogar eine andere Welt.

    Später am Abend, er nickte gerade ein, erschien die pummelige Krankenschwester mit seinen Tabletten. Er steckte sie in den Mund und schluckte das Wasser aus dem kleinen Plastikbecher. Dann fühlte die Krankenschwester ihm den Puls, maß seine Temperatur und wandte sich dem nächsten Patienten zu. Nachdem sie fort war, hob er die Zunge und spuckte die Tabletten auf seine Hand. Die roten Kapseln waren zwar aufgeweicht, hatten jedoch kein einziges Wirkstoffkörnchen verloren. Jetzt musste er sich nur noch etwas einfallen lassen, um sie loszuwerden.
    »Geht ein Mann zum Arzt«, erklang da eine Stimme neben dem Bett. Es war Foster, der im Schneidersitz auf seinem Rollwagen thronte. Der Junge wunderte sich, wie es ihm gelungen war, sich so lautlos anzuschleichen. Foster hielt ein Ölkännchen hoch, als hätte er seine Gedanken gelesen.
    »Sonst überrascht man das Ungeziefer nie«, sagte er. »Nicht mit so einem Gequietsche.« Er nahm einen Apfel aus der Tasche und verspeiste ihn in drei gewaltigen Bissen, inklusive Kerngehäuse.
    »Wenn Sie meinen«, antwortete er.
    »Oh, wo war ich noch mal stehengeblieben? Ach ja, geht ein Mann zum Arzt …«
    »Muss es denn unbedingt ein Ärztewitz sein?«, gähnte der Junge.
    »Hör zu«, entgegnete Foster grinsend. »Es ist ein guter.«
    »Das behaupten Sie immer, aber es stimmt nie.«
    »Diese Bemerkung will ich überhört haben. Also, geht ein Mann zum Arzt und sagt: ›Herr Doktor, Sie müssen mir helfen, ich glaube, ich habe eine gespaltene Persönlichkeit.‹ Und der Arzt antwortet – warte nur ab, du wirst dich totlachen –, also der Arzt antwortet …«
    »Dann muss ich wohl das doppelte Honorar berechnen.«
    »Du kanntest den Witz schon!«, rief Foster.
    »Verzeihung«, entschuldigte er sich. »Ich wollte Ihnen die Pointe nicht verderben.«
    Im
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