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Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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müssen,« fuhr die Fürstin nach einer Weile fort. »Man muß doch recht glücklich sein, um so seine Stellung und seine Zukunft zu opfern und auf ewig der Welt zu entsagen!« »Sie ist eine kleine Närrin,« sagte Frau d'Espard ernst. »Fräulein des Touches war entzückt, daß sie Conti los wurde. Beatrix hat nicht gesehen, wie deutlich dieser Verzicht einer überlegenen Frau, die ihr angebliches Glück nicht einen Augenblick verteidigte, für Contis Nichtigkeit sprach.« »So wird sie unglücklich werden?« »Sie ist es schon,« erwiderte Frau d'Espard. »Wozu seinen Gatten verlassen? Ist das nicht bei einer Frau das Geständnis ihrer Ohnmacht?« »Also glauben Sie nicht, daß Frau von Rochefide sich hat durch den Wunsch bestimmen lassen, in Ruhe eine echte Liebe auszukosten, jene Liebe, deren Genüsse für uns beide noch ein Traum sind?« »Nein, sie hat nur Frau von Beauséant und Frau von Langeais nachgeäfft, die, unter uns, in einem weniger vulgären Jahrhundert Gestalten von der Größe der La Vallière, der Montespan, der Diana von Poitiers, der Herzoginnen von Etampes und Châteauroux geworden wären.« »Oh, aber minus den König, meine Liebe. Ach, ich wollte, ich könnte diese Frauen beschwören und sie fragen ...« »Nun,« unterbrach die Marquise die Fürstin, »es ist nicht erst nötig, die Toten zum Reden zu bringen, wir kennen ja lebende Frauen, die glücklich sind. Ich habe mit der Gräfin von Montcornet wohl zwanzigmal ein vertrauliches Gespräch über derlei Dinge begonnen, und seit fünfzehn Jahren lebt sie mit dem kleinen Emile Blondet als die glücklichste Frau der Gesellschaft; keine Untreue, kein verirrter Gedanke! Sie leben noch heute wie am ersten Tage. Wir wurden aber stets im interessantesten Augenblick gestört und unterbrochen. Jene langen Bündnisse – das Rastignacs mit Frau von Nucingen zum Beispiel oder das der Frau von Camps, ihrer Cousine, mit ihrem Octavius – haben ein Geheimnis, und dieses Geheimnis kennen wir nicht, meine Liebe. Die Welt erweist uns die hohe Ehre, uns für Lebedamen zu halten, die des Regentschaftshofes würdig wären, und dabei sind wir unschuldig wie zwei kleine Pensionärinnen.« »Bei einer solchen Unschuld könnte ich noch glücklich sein,« sagte die Fürstin spöttisch; »unsere Unschuld ist schlimmer; wir haben Grund, uns gedemütigt zu fühlen. Was wollen Sie! Wir müssen Gott diese Kasteiung als Sühne für unser fruchtloses Suchen darbringen; denn es ist nicht wahrscheinlich, meine Liebe, daß wir in der Nachernte die schöne Blüte finden, die uns im Frühling und im Sommer nicht zuteil ward.« »Nicht da liegt der springende Punkt,« erwiderte die Marquise nach einer Pause voll nachdenklicher Rückblicke. »Wir sind noch schön genug, um eine Leidenschaft einzuflößen; aber niemals werden wir irgend jemand von unserer Unschuld und unserer Tugend überzeugen.« »Wenn sie eine Lüge wäre, so wäre sie bald mit Erklärungen geziert und mit hübschen Umschweifen versehen, die sie glaubhaft machen würden, so daß man sie wie eine köstliche Frucht verschlingen könnte. Aber einer Wahrheit Glauben verschaffen! Ach, daran sind die größten Männer zugrunde gegangen!« fügte die Fürstin mit einem feinen Lächeln hinzu, wie nur der Pinsel Leonardo da Vincis es wiederzugeben vermocht hat.
    »Und doch lieben bisweilen auch Tröpfe,« sagte die Marquise. »Aber hierfür«, bemerkte die Fürstin, »sind selbst die Tröpfe nicht leichtgläubig genug.« »Sie haben recht,« sagte die Marquise lachend. »Aber wir sollten weder nach einem Dummkopf, noch nach einem Mann von Talent suchen. Um ein solches Problem zu lösen, brauchen wir einen Mann von Genie. Das Genie allein hat den Glauben der Kindheit und die Religion der Liebe, und es läßt sich gern die Augen verbinden. Sehen Sie sich Canalis und die Herzogin von Chaulieu an. Wenn wir, Sie und ich, Männern von Genie begegnet sind, so standen sie uns vielleicht zu fern oder waren zu beschäftigt, und wir waren zu frivol, zu fortgerissen, zu eng gefangen.« »Ach, und doch möchte ich diese Welt nicht gern verlassen, ohne die Freuden der echten Liebe kennen gelernt zuhaben!« rief die Fürstin aus. »Sie einzuflößen ist nichts,« sagte Frau d'Espard; »es handelt sich darum, sie zu empfinden. Ich sehe viele Frauen, die nur der Vorwand für eine Leidenschaft sind, statt zugleich ihre Ursache und ihre Wirkung zu sein.« »Die letzte Leidenschaft, die ich eingeflößt habe,« sagte die Fürstin, »war
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