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Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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betraute und die er ausgezeichnet durchführte. D'Arthez war seit einiger Zeit genügend mit den Geschäften der Politik in Berührung gekommen, um diesen Mann gründlich zu durchschauen; und er allein stand vielleicht seinem Charakter nach hoch genug, um laut auszusprechen, was alle leise dachten.
    »Deshalb gommt er auch so fenig in die Gammer,« sagte der Baron von Nucingen. »Ei, die Fürstin ist eine der gefährlichsten Frauen, deren Haus ein Mann betreten kann,« rief der Marquis d'Esgrignon leise; »ich verdanke ihr die Gemeinheit meiner Ehe.« »Gefährlich?« fragte Frau d'Espard; »reden Sie nicht so von meiner besten Freundin. Ich habe von der Fürstin niemals etwas erfahren oder gesehen, was sich nicht mit der erhabensten Gesinnung vertrüge.« »Lassen Sie den Marquis doch reden,« sagte Rastignac. »Wenn ein Mann von einem hübschen Pferd aus dem Sattel geworfen wird, so findet er auch Fehler an ihm; und er verkauft es.«
    Durch dieses Wort verletzt, sah der Marquis d'Esgrignon d'Arthez an und sagte: »Ich hoffe doch, daß der Herr mit der Fürstin nicht in einem Verhältnis steht, das uns hindern könnte, über sie zu reden?« D'Arthez bewahrte Schweigen. D'Esgrignon, der nicht ohne Geist war, entwarf Rastignac zur Antwort ein verteidigendes Bild der Fürstin, das die ganze Tafel in gute Laune brachte. Da diese Spötterei d'Arthez vollkommen unverständlich blieb, so neigte er sich zur Frau von Montcornet, seiner Nachbarin, und fragte sie nach dem Sinn dieser Scherze. »Nun, außer Ihnen – ich schließe das aus der guten Meinung, die Sie von der Fürstin haben – so sagt man, haben alle Gäste ihre Gunst genossen.« »Ich kann Ihnen versichern, daß an dieser Meinung kein Wort wahr ist,« erwiderte Daniel. »Und doch sehn Sie da Herrn d'Esgrignon, einen Edelmann aus der Perche, der sich vor zwölf Jahren um ihretwillen vollständig ruinierte; fast hätte er für sie das Schafott besteigen müssen.« »Ich kenne diese Geschichte,« sagte d'Arthez; »Frau von Cadignan hat Herrn d'Esgrignon vor dem Schwurgericht gerettet, und so lohnt er es ihr heute!«
    Frau von Montcornet blickte d'Arthez mit fast stumpfsinniger Verwunderung und Neugier an; dann hob sie den Blick auf Frau d'Espard und zeigte auf ihn, als wollte sie sagen: »Er ist umgarnt!« Während dieser kurzen Unterhaltung wurde Frau von Cadignan durch Frau d'Espard gedeckt; aber diese Deckung glich dem Blitzableiter, der den Blitz anzieht. Als d'Arthez sich der allgemeinen Unterhaltung wieder zuwandte, hörte er, wie eben Maxime de Trailles folgendes Wort vom Stapel ließ: »Bei Diana ist die Verderbtheit keine Wirkung, sondern eine Ursache; vielleicht verdankt sie dieser Ursache ihr wundervolles Naturell; sie sucht nicht, sie erfindet nichts; sie bietet einem die durch raffiniertes Studium gefundenen Dinge als eine Eingebung der naivsten Liebe dar, und es ist jedem unmöglich, ihr nicht zu glauben.« Dieser Satz, der eigens für einen Mann von der Bedeutung Daniels vorbereitet zu sein schien, stand so festgefügt da, daß er gleichsam die Entscheidung brachte. Alle ließen die Fürstin fallen; sie schien abgetan zu sein. D'Arthez aber blickte de Trailles und d'Esgrignon spöttisch an. »Das größte Unrecht dieser Frau besteht darin, daß sie den Männern ins Gehege kommt,« sagte er. »Gleich ihnen vergeudet sie ihre Eigengüter; sie schickt ihre Liebhaber zu Wucherern, sie verzehrt Mitgifte, sie richtet Waisen zugrunde, sie schmilzt alte Schlösser ein, sie regt Verbrechen an und begeht sie vielleicht gar selber; aber ...« Nie hatte einer der beiden Männer, an die d'Arthez sich wandte, etwas gleich Kräftiges gehört. Doch dieses ›aber‹ verblüffte die ganze Tafel; all die Gäste saßen da, die Gabel in der Luft und die Augen abwechselnd auf den mutigen Schriftsteller und die Meuchelmörder der Fürstin geheftet; man harrte in furchtbarem Schweigen des Schlusses. »Aber«, fuhr d'Arthez in spöttisch leichtem Tone fort, »die Frau Fürstin hat vor den Männern eines voraus: wenn man sich um ihretwillen in Gefahr begeben hat, so rettet sie einen und redet über niemand Arges. Weshalb sollte sich in der großen Zahl nicht auch einmal eine Frau finden, die sich über die Männer amüsiert, wie die Männer sich über die Frauen amüsieren? Weshalb sollte das schöne Geschlecht nicht von Zeit zu Zeit Revanche nehmen? ...«
    »Das Genie ist stärker als der Witz,« sagte Blondet zu Nathan.
    Diese Lawine von Epigrammen wirkte wie das Feuer
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