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Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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die das Geheimnis dieser Dinge kannten, hielten mich wie eine verlorene Frau am Zügel. Oh, dies eine Mal bin ich bis vor den König gegangen. Selbst Ludwig XVIII., dieser Mann ohne Herz, war gerührt, er gab mir hunderttausend Franken aus seiner Privatschatulle. Der Marquis d'Esgrignon, der junge Mann, dem Sie vielleicht in der Gesellschaft schon begegnet sind und der schließlich noch eine sehr reiche Partie gemacht hat, wurde durch mich aus dem Abgrund gerettet, in den er sich gestürzt hatte. Dieses Abenteuer, das die Folge meines Leichtsinns war, brachte mich zur Überlegung. Ich merkte, daß ich selber das Opfer meiner Rache wurde. Meine Mutter, mein Gatte, mein Schwiegervater hatten die Welt für sich, sie schienen meine Torheiten zu decken. Meine Mutter, die wußte, daß ich zu stolz, zu groß, zu sehr eine Uxelles war, um mich vulgär zu benehmen, erschrak endlich vor dem Unheil, das sie angerichtet hatte. Sie war zweiundfünfzig Jahre alt; sie verließ Paris und zog nach Uxelles. Sie bereut ihr Unrecht jetzt; sie sühnt es durch die übertriebenste Frömmigkeit und durch eine grenzenlose Liebe zu mir. Aber 1823 ließ sie mich Herrn von Maufrigneuse von Angesicht zu Angesicht gegenüber allein. Oh, mein Freund, Sie Männer können nicht wissen, was ein alter Mann ist, der sich der Frauengunst erfreut. Was für ein häusliches Leben mußte der Mann führen, der an die Anbetung der Frauen der Gesellschaft gewöhnt war und der im Hause weder Weihrauch noch Räucherfaß vorfand? Ein Mann, der völlig tot ist und eben deshalb eifersüchtig! Ich wollte, als Herr von Maufrigneuse mir allein gehörte – ich wollte da eine gute Frau werden; aber ich stieß mich an all den Rauheiten eines vergrämten Geistes, an all den Launen der Ohnmacht, an den Kindereien der Albernheit, an all den Eitelkeiten der Selbstgefälligkeit, an dem Manne, der die langweiligste Elegie der Welt war und der mich wie ein kleines Mädchen behandelte, der sich darin gefiel, bei jeder Gelegenheit meine Eigenliebe zu demütigen, mich mit den Schlägen seiner Erfahrung niederzuschmettern, mir zu beweisen, daß ich nichts wüßte. Er verletzte mich mit jedem Augenblick. Kurz, er tat alles, um sich meinen Abscheu zu erwerben und mir das Recht zu geben, daß ich ihn verriete; ich aber ließ mich von meinem guten Herzen und von dem Verlangen danach, Gutes zu tun, drei oder vier Jahre hindurch täuschen! Wissen Sie, welches gemeine Wort mich zu neuen Torheiten trieb? Werden Sie jemals den Inbegriff aller Verleumdungen der Welt erfinden können? ›Die Herzogin von Maufrigneuse‹, sagte man, ›ist wieder auf ihren Gatten zurückgekommen!‹ ›Bah, aber nur aus Verderbtheit, es ist ein Triumph, die Toten zum Leben zu erwecken; etwas anderes blieb ihr ja nicht mehr übrig,‹ erwiderte meine beste Freundin, eine Verwandte, bei der ich das Glück hatte, Ihnen zu begegnen.« »Frau d'Espard!« rief Daniel mit einer Bewegung des Grauens. »Oh, ich habe ihr vergeben, mein Freund. Zunächst ist jenes Wort außerordentlich geistreich, und dann habe ich vielleicht selber grausamere Epigramme gegen arme Frauen geschleudert, die ebenso rein sind, wie ich es war.«
    D'Arthez küßte noch einmal die Hand dieser heiligen Frau, die ihm erst eine in Stücke zerhackte Frau serviert und dann aus dem Fürsten von Cadignan, den wir kennen, einen dreifach wachsamen Othello gemacht hatte, um sich dann selber zu Brei zu schlagen und sich unrecht zu geben, damit sie sich in den Augen des naiven Schriftstellers mit jener Jungfräulichkeit decken konnte, die selbst die einfältigste Frau ihrem Liebhaber um jeden Preis aufzutischen sucht.
    »Sie verstehen, mein Freund, daß ich mit Geräusch wieder in die Gesellschaft zurückkehrte, um Geräusch zu machen. Ich habe da neue Kämpfe geführt; ich mußte meine Unabhängigkeit erobern und Herrn von Maufrigneuse neutralisieren. Ich führte also aus andern Gründen ein Leben der Zerstreuung. Um mich zu betäuben, um das wirkliche Leben in einem phantastischen Leben zu vergessen, glänzte ich, gab Feste, spielte die Fürstin und machte Schulden. Zu Hause vergaß ich mich selber im Schlummer der Erschöpfung; für die Welt erstand ich von neuem in Schönheit, Lustigkeit und Tollheit; aber in diesem traurigen Kampf der Phantasie gegen die Wirklichkeit habe ich mein Vermögen verzehrt. Der Aufstand von 1830 fiel in den Augenblick, als ich am Ende dieses Daseins aus den Tausendundein Nächten der heiligen und reinen Liebe begegnete, die
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