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Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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d'Espard lebhaft aus. »Ich habe oft von ihm gehört. Dieser Michel Chrestien war der Freund eines berühmten Mannes, den Sie schon einmal kennen lernen wollten, nämlich Daniel d'Arthez, der ein- oder zweimal im Winter zu mir kommt. Es fehlte diesem Chrestien, der wirklich bei Saint-Merri gefallen ist, nicht an Freunden. Man hat mir gesagt, er sei einer jener großen Politiker gewesen, denen es, wie de Marsay, nur an dem Auftrieb einer günstigen Strömung fehlt, damit sie auf einen Schlag werden, was sie werden müßten.« »Dann ist es besser, daß er gestorben ist,« sagte die Fürstin mit einer melancholischen Miene, unter der sie ihre Gedanken verbarg. »Wollen Sie eines Abends bei mir mit d'Arthez zusammentreffen?« fragte die Marquise. "Dann können Sie von dem plaudern, der Ihre Gedanken heimsucht.« »Gern, meine Liebe.«
    Einige Tage nach dieser Unterhaltung versprachen Blondet und Rastignac, die d'Arthez kannten, Frau d'Espard, ihn dazu zu bringen, einmal bei ihr zu speisen. Dieses Versprechen wäre zweifellos unvorsichtig gewesen, wenn sie nicht den Namen der Fürstin genannt hätte, deren Bekanntschaft dem großen Schriftsteller nicht gleichgültig sein konnte.
    Daniel d'Arthez, einer der seltenen Menschen unserer Zeit, die mit einem schönen Talent einen schönen Charakter verbinden, hatte sich bereits, wenn auch noch nicht die Popularität, die seine Werke ihm erwerben sollten, so doch schon jene ehrfurchtsvolle Achtung errungen, zu der auserwählte Wesen nichts hinzuzugewinnen haben. Sein Ruhm konnte sicherlich noch wachsen, aber er hatte damals in den Augen der Kenner bereits seine höchstmögliche Entwicklung erreicht; es gibt Schriftsteller, die früher oder später an ihren rechten Platz treten und ihn nicht mehr wechseln. Als armer Edelmann hatte er seine Zeit verstanden und erwartete alles von seiner persönlichen Leistung. Er hatte lange in der Pariser Arena gerungen, und zwar wider den Willen eines reichen Onkels, der – die Eitelkeit rechtfertige den Widerspruch! –, nachdem er ihn mit dem schwersten Elend hatte kämpfen lassen, dem berühmten Manne das Vermögen vermachte, das er dem unbekannten Schriftsteller unerbittlich verweigert hatte. Dieser plötzliche Wandel aber änderte in seiner Lebensweise nichts; er führte seine Arbeiten in einer Einfachheit, die der alten Zeiten würdig gewesen wäre, fort und erlegte sich neue Arbeiten auf, indem er einen Sitz in der Deputiertenkammer annahm, wo er sich der Rechten anschloß. Seit er zum Ruhm durchgedrungen war, erschien er bisweilen in der Gesellschaft. Einer seiner alten Freunde, ein großer Arzt, Horace Bianchon, hatte ihn mit dem Baron von Rastignac bekannt gemacht, der Unterstaatssekretär in einem Ministerium und mit de Marsay befreundet war. Diese beiden Politiker hatten großmütig ihren Beistand geliehen, als Daniel, Horace und ein paar andere intime Freunde Michel Chrestiens die Leiche dieses Republikaners aus der Kirche Saint-Merri entfernen wollten, um ihm die Ehren des Begräbnisses zu erweisen. Der Dank für einen Dienst, der zu der Strenge, die man um jene Zeit der Entfesselung aller politischen Leidenschaften in Dingen der Verwaltung beobachtete, so sehr in Widerspruch stand, hatte zwischen d'Arthez und Rastignac enge Freundschaft begründet. Der Unterstaatssekretär und der berühmte Minister waren zu gewandte Leute, um diesen Umstand nicht auszunutzen; sie wußten ein paar Freunde Michel Chrestiens zu gewinnen, zumal sie seine Ansichten nicht teilten, so daß sie sich jetzt der neuen Regierung anschlossen. Einer von ihnen, Léon Giraud, der zunächst zum Beisitzer ernannt wurde, ist seither Staatsrat geworden. Daniel d'Arthez widmet sein ganzes Leben der Arbeit; die Gesellschaft bekommt ihn nur gelegentlich einmal zu sehen, und sie ist für ihn gleichsam ein Traum. Sein Haus ist ein Kloster, in dem er das Leben eines Benediktiners führt: er beobachtet die gleiche Nüchternheit in seiner Lebensweise, die gleiche Regelmäßigkeit in seinen Beschäftigungen. Seine Freunde wissen, daß die Frau für ihn bisher nichts war als ein stets gefürchtetes Unglück; er hat sie zu genau beobachtet, um sie nicht zu fürchten; aber er hat sie so lange studiert, daß er sie jetzt endlich nicht mehr kennt; darin jenen tiefen Strategen gleich, die auf einem unvorhergesehenen Gelände stets geschlagen werden würden, weil ihre wissenschaftlichen Grundsätze dort Wandlungen und Störungen erfahren würden. Übrig geblieben ist von ihm das
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