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Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Landgut aus schickte, wo sie sparte, wie nur alte Herzoginnen zu sparen verstehen, denn neben ihnen ist Harpagon ein Abc-Schütz. Der Fürst lebte im Auslande und hielt sich beständig seiner verbannten Herrschaft zur Verfügung; er teilte ihr Unglück und diente ihr als der vielleicht intelligenteste von allen, die sie umgaben, mit einer uneigennützigen Ergebenheit. Die Stellung des Fürsten von Cadignan schützte auch seine Frau in Paris. Bei der Fürstin hatte der Marschall, dem wir die Eroberung Afrikas verdanken, zur Zeit des Anschlags der Madame [Fußnote: Titel der Gemahlin ›Monsieurs‹, des Bruders des Königs.] in der Vendée seine Besprechungen mit den Hauptführern der legitimistischen Anschauung; so verborgen lebte die Fürstin, und so wenig weckte ihre Not das Mißtrauen der gegenwärtigen Regierung! Als sie den furchtbaren Bankrott der Liebe nahen sah, der beim Beginn der Vierziger einer Frau nur noch wenig übrigläßt, hatte sie sich der Königin Philosophie in die Arme geworfen. Sie, die sechzehn Jahre lang das größte Grauen vor allen ernsten Dingen zur Schau getragen hatte, – begann zu lesen. Heute sind Literatur und Politik für die Frauen das, was ihnen ehemals die Frömmigkeit war: ein letztes Asyl für all ihre Ansprüche. In den eleganten Kreisen sagte man, Diana wolle ein Buch schreiben. Seit die Fürstin aus einer hübschen und schönen Frau, bevor sie ganz vergessen wurde, eine geistreiche Frau geworden war, hatte sie den Empfang in ihrem Hause zu einer Ehre gemacht, die für den Begünstigten eine hohe Auszeichnung war. Durch solche Beschäftigungen gedeckt, konnte sie einen ihrer ersten Liebhaber täuschen, nämlich de Marsay, den einflußreichsten Mann der bürgerlichen Politik, die im Juli 1830 zur Herrschaft kam; ihn empfing sie bisweilen abends, während sich der Marschall und mehrere Legitimisten in ihrem Schlafzimmer leise von der Eroberung des Königreichs unterhielten, die ohne Mitwirkung des geistigen Frankreich nicht möglich war – und das war das einzige Element des Erfolges, das die Verschwörer vergessen hatten. Es war die allerliebste Rache einer hübschen Frau, dieses Spiel, das sie da mit dem Premierminister spielte: ihn zur spanischen Wand einer gegen seine eigene Regierung gerichteten Verschwörung zu machen. Dieses den schönen Tagen der Fronde würdige Abenteuer bildete den Text des geistreichsten Briefes von der Welt, eines Briefes, in dem die Fürstin Madame über die Unterhandlungen Bericht erstattete. Der Herzog von Maufrigneuse eilte in die Vendée und konnte heimlich zurückkehren, ohne sich bloßgestellt, wenn auch nicht ohne an den Gefahren von Madame teilgenommen zu haben; unglücklicherweise schickte sie ihn zurück, als alles verloren zu sein schien. Vielleicht hätte die leidenschaftliche Wachsamkeit des jungen Mannes den Verrat vereitelt. Wie groß in den Augen der bürgerlichen Welt das Unrecht der Herzogin von Maufrigneuse auch gewesen war, so hat das Verhalten ihres Sohnes es jedenfalls in den Augen der aristokratischen Welt getilgt. Es lag Adel und Größe darin, den einzigen Sohn und Erben eines historischen Hauses so aufs Spiel zu setzen. Es gibt Menschen, die gewissermaßen gewandt genug sind, Fehltritte des Privatlebens durch Dienste im politischen Leben wieder gutzumachen, und umgekehrt; aber bei der Fürstin von Cadignan lag keinerlei Berechnung vor. Vielleicht freilich darf man bei niemandem, der sein Verhalten so einrichtet, noch von Berechnung sprechen. Derlei Widersprüche ergeben sich zur Hälfte aus dem notwendigen Verlauf der Dinge.
    An einem der ersten schönen Tage des Monats Mai 1833 gingen – man kann nicht sagen: promenierten – die Marquise d'Espard und die Fürstin gegen sieben Uhr nachmittags im letzten Schein der untergehenden Sonne auf dem einzigen Gang des Gartens, der um den Rasen herumführte. Die Sonnenstrahlen, die von den Mauern zurückgeworfen wurden, erwärmten die Lust in dem kleinen von Blumen – einem Geschenk der Marquise – durchdufteten Raum.
    »Wir werden de Marsay bald verlieren,« sagte Frau d' Espard zu der Fürstin, »und mit ihm geht unsere letzte Hoffnung, daß der Herzog von Maufrigneuse sein Glück machen werde, dahin; denn seit Sie diesen großen Politiker so hübsch an der Nase herumgeführt haben, ist seine Neigung zu Ihnen wieder erwacht.« »Mein Sohn wird sich niemals mit der jüngeren Linie einlassen,« sagte die Fürstin, »und müßte er Hungers sterben oder müßte ich für ihn
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