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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise
Autoren: Isabel Abedi
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Uhr und Wanja konnte nicht fassen, was gerade geschehen war. Aber war es denn wirklich geschehen? Warum hatte Jo dann nichts gehört? Der Gong hätte einen Toten wecken können und Jos Schlafzimmer lag doch gleich nebenan. Trotzdem: Ein Traum war es nicht gewesen, da war sich Wanja ganz sicher. Höchstens spielte ihr Radiowecker nun vollkommen verrückt, obwohl Wanja auch das nicht wirklich glaubte. Wie hypnotisiert lag sie da und starrte auf die Ziffern. Aber die klackten und kippten und wechselten in ihrer gewohnten weißen Normalität, als hätten sie nie etwas anderes getan. 
    Um 03:33 Uhr drehte Wanja ihrem Radiowecker den Rücken zu und versuchte einzuschlafen.
     
A LS WÄRE NICHTS GESCHEHEN
    C armen war ein gutes Zeichen. Ohrenbetäubend laut drang das Orchestervorspiel der Oper in Wanjas Zimmer ein, jeder Paukenschlag ein donnerschlagartiger Weckruf. Jo liebte diese Oper, hatte Wanja die Handlung von vorne bis hinten erzählt, ihr alle Arien übersetzt und sie schon zweimal zu einer Aufführung mitgeschleppt, sodass Wanja inzwischen bei jedem Lied die Bilder vor ihrem inneren Auge sah. Wenn Jo von etwas begeistert war, konnte man sich nicht dagegen wehren, sie riss einen einfach mit. Aber die Carmen-CD legte Jo zu Hause immer nur dann ein, wenn sie gute Laune hatte.
    Entweder trägt sie Orange oder Rot, dachte Wanja, als sie die Augen aufschlug. Der Wecker zeigte 10:13 Uhr und machte ihr schlagartig wieder bewusst, was gestern Nacht geschehen war.
    Wanja starrte noch einmal auf die Ziffern, drückte an der An- und Austaste des Radios herum, stieg, als nichts Außergewöhnliches geschah, kopfschüttelnd aus dem Bett und ging den letzten Paukenschlägen des Opernvorspiels entgegen die Treppe hinunter in die Küche.
    Jo trug Orange. Ihre zierliche Figur wurde von dem langen Leinenhemd versteckt, doch die strahlende Farbe war ein weiteres Zeichen ihrer guten Laune.
    »Mais nous ne voyons pas la Carmencita«, sang Jo, während sie das zweite Frühstücksei aus dem Kochtopf fischte und unter den kalten Wasserstrahl hielt. Schröder strich brummend um ihre Beine und Wanja setzte sich an den Tisch. Vaterbilder . Von was für einer Ausstellung hatte die Frau im Radio gesprochen? Wer war der Hüter der Bilder? Wer war diese Frau? Wieso hatte sie Wanja direkt angesprochen? Jo, die mit dem Rücken zu Wanja stand, wickelte Fleischwurst aus, auf der CD sang jetzt Carmen. Wanja drehte ihr die Stimme leise.
    »Hast du gestern Abend was gehört, Jo?«
    Wanjas Mutter fuhr herum und ließ dabei fast die Fleischwurst fallen.
    »Pumpel! Mensch, hast du mich erschreckt.« Wanja stellte die Musik ganz aus. » Hast du was gehört?«
    »Was soll ich denn gehört haben?« Jo runzelte die Stirn.
» Gesehen hab ich was. Fünf verdreckte Fußabdrücke auf meinem Schlafzimmerteppich, vom Fenster bis zur Tür. Kannst du mir erklären, wo die hergekommen sind?« Wanja wich Jos Blick aus und rieb ihre Nase am Fell von Schröder, der ihr gerade auf den Schoß gesprungen war. 
    »Von mir. Hab gestern den Schlüssel verloren.« Jo kniff Wanja in die Nase. »Schlunzkopf! Das war jetzt das zweite Mal. Diesmal geht der neue Schlüssel aber von deinem Taschengeld ab!«
    »Schon okay.« Wanja atmete aus. Zumindest hatte Jo ihre gute Laune nicht verloren.
»Ich soll dich übrigens von Oma grüßen. Sie hat heute Morgen angerufen, aber ich wollte dich nicht wecken.« 
    »Danke. Dafür hat ja dann Carmen gesorgt.« Wanja goss sich ein Glas Saft ein und trank es mit einem Zug leer. 
    »Und? Was macht Uri?«
»Was soll sie schon machen? Im Bett liegen und aus dem Fenster kucken, wahrscheinlich.« Jo schlug ihrem Vierminutenei den Kopf ab. Seit ihrem Schlaganfall wurde Wanjas Urgroßmutter von Wanjas Großmutter gepflegt.
Als es passierte, hatten Jo und Wanja noch bei den Großeltern gewohnt. Wanja mochte ihre Urgroßmutter, aber Jo hatte Uri nie besonders leiden können.
»Jedenfalls soll ich dir von Oma ausrichten, du sollst doch bald einmal schreiben. Ach ja, und Flora hat auch schon angerufen. Um Viertel nach acht!« Jo grinste.
»Aber ich war zum Glück schon wach und Flora hat gesagt, sie kommt heute Abend zum Essen. Wenn wir einkaufen, kocht sie uns Orangenhuhn.«
»Yes!« Wanja drückte Schröder an sich. 
    »Und dann siedlern wir, ja, Jo?«
Jo grinste. »Aber nur, wenn ihr mich nicht wieder so abzockt wie letztes Mal.«
Als Wanja nach dem Frühstück ihre Jacke holte, um mit Jo zum Markt zu fahren, fand sie die Feder
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