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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise
Autoren: Isabel Abedi
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die halbe Klasse vor Lachen unter dem Tisch lag, entdeckte er die Flasche.
»Dieses Gesicht werde ich nie vergessen«, sagte Wanja und kicherte.
»Dass danach die ganze Klasse nachsitzen musste, werde ich auch nie vergessen.« Britta war damals stocksauer auf Thorsten gewesen. »Nur weil dieser Idiot nicht die Traute hatte, sich zu stellen.«
»Wenn jemand ein Idiot ist, dann Schönhaupt«, brummte Wanja.
Aber damit konnte man Britta nicht kommen. Britta war die Beste in Mathe und das einzige Mädchen, das Herr Schönhaupt nicht ständig mit diesem grässlich altmodischen »Fräulein« anredete.
»Du hast überhaupt noch gar nichts zu meinen neuen Sachen gesagt.«
Britta blieb stehen, stellte sich in Pose und blickte Wanja herausfordernd an.
Wanja seufzte. »Mensch, Britta. Wie oft muss ich dir denn noch sagen, dass mich das nicht interessiert?«
»Paps war am Wochenende mit mir einkaufen.« Britta überging Wanjas Bemerkung und strich sich über das blassgrüne T-Shirt mit den großen rosa Blüten. Es folgte eine detaillierte Beschreibung, was sie wo anprobiert und schließlich für wie viel Geld gekauft hatte. Wanja ließ ihren Schlüsselanhänger um den Zeigefinger kreisen und überlegte währenddessen, wie lange sie wohl heute an den verhassten Matheaufgaben sitzen würde, wenn Britta sie nicht abschreiben ließ. Schon seit der ersten Klasse ging Wanja an zwei Tagen in der Woche nach der Schule mit zu Britta nach Hause. Das gab Jo ein gutes Gefühl und Wanja Gesellschaft. Ihre Freundschaft mit Britta war mit den Jahren zu einer Art Gewohnheit geworden, die keine von ihnen in Frage stellte. Ansonsten hätten sie wohl beide zugeben müssen, dass sie im Grunde nichts miteinander anfangen konnten.
»Hey, hörst du mir überhaupt zu?« Kurz vor ihrem Haus stieß Britta Wanja in die Seite, wodurch Wanja der Schlüsselanhänger vom Finger rutschte.
»Verdammt, pass doch auf!« Wütend ging Wanja in die Hocke. Zu spät. Der Anhänger war samt Schlüsseln in einen Gulli gefallen.
»Tja, den kannst du wohl vergessen«, sagte Britta.
Wanja stöhnte. Das war schon der zweite Schlüssel in diesem Jahr, Jo würde ausflippen. Mit düsterer Miene trottete sie hinter Britta über den geharkten Kiesweg der hellblauen Jugendstilvilla. Brittas Mutter stand schon in der Tür. »Da seid ihr ja endlich! Husch-husch, das Essen wird kalt!«
Im Hausflur schlug Wanja der Geruch gebratener Leber ins Gesicht. Leber war das einzige Fleisch, vor dem sie abgrundtiefen Ekel empfand. Aber als sie alle um den Tisch saßen, betonte Brittas Vater die Nährwerte dieses Essens so ausdrücklich, dass Wanja sich nicht traute die Leber stehen zu lassen. Mit versteinerter Miene kaute sie an ihren Fleischstücken herum, gerade so viel, wie nötig war, um sie unauffällig mit Wasser herunterzuspülen. Währenddessen erzählte Britta lang und breit von der Mathearbeit, die sie mit einer Eins bestanden hatte.
»Das ist meine Tochter«, sagte Brittas Vater. Er zog sein Portmonee aus der Hosentasche und schob einen funkelnagelneuen Zwanzigeuroschein über den Tisch. Dass Britta »seine« Tochter war, stand schon rein optisch völlig außer Frage. Mit ihren großen blauen Augen, den glänzend blonden Haaren und ihren perlweißen, völlig ebenmäßigen Zähnen war Britta ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Brittas Vater war wohl das, was Frauen einen gut aussehenden Mann nannten. Für Wanja war er, genau wie seine Tochter, eine Spur zu glatt.
»Danke Paps«, flötete Britta, als der Zwanziger vor ihrem Teller landete. Dabei warf sie ihrer Schwester Alina einen triumphierenden Blick zu. Alina war acht, hatte als Einzige aus der Familie ein paar Kilo zu viel und stand im Schatten ihrer großen Schwester, seit sie auf der Welt war.
»Blöde Giftkuh«, zischte Alina und Wanja musste sich das Lachen verkneifen.
Zum Nachtisch gab es Grapefruitsorbet.
»Sieht aus wie gefrorenes Giraffenpipi«, sagte Alina zu ihrer Portion und zog damit zum ersten Mal die Aufmerksamkeit ihres Vaters auf sich. Herr Sander streckte den Arm aus, zeigte zur Tür und zischte: »Aber so-fort!« Als Alina die Küche verließ, kicherte Britta, Frau Sander seufzte und Wanja wünschte sich nach Hause. Alina tat ihr Leid.
»Dieser kleine Fettkloß nervt einfach total«, sagte Britta, als sie mit Wanja nach dem Essen über den Hausaufgaben saß. Wanja schob ihr Matheheft zur Seite. »Ich glaube, die ist nur eifersüchtig. Wäre ich an ihrer Stelle auch. Du kriegst Geld und sie wird aus der
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