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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut
Autoren: Brigitte Riebe
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wann.
    Schon lange musste die Arbeit an den Bildern aufgeteilt werden, denn Cranach hatte mit seinen Hauserwerbungen und Wiederverkäufen, der Apotheke, den Druckaufträgen, in die er viel investiert hatte, und regelmäßigen Sitzungen im Stadtrat bereits jede Menge zu tun.
    »Das lässt sich doch rasch wieder ausbügeln«, sagte Jan, den der Gescholtene rührte. »Ein paar Striche – und das gesamte Ensemble …«
    »Ach, auch endlich zurück?« Cranach fuhr zu ihm herum. »Ich hatte beinahe befürchtet, dass der werte Herr Seman uns womöglich erst morgen früh wieder mit seiner Anwesenheit beehren würde.«
    »Ihr hattet mir den Nachmittag freigegeben«, erwiderte Jan ruhig. »Und den Abend dazu. Schon vergessen?«
    Die beiden starrten sich an. Nicht das erste Mal, dass sie aneinandergerieten. Schließlich machte Cranach eine ungeduldige Handbewegung.
    »Egal. Jetzt bist du ja da. Ambrosius soll sich um die Lasur der Tafel für das neue Frauenporträt kümmern. Das zumindest wird er ja wohl zustande bringen! Und ihr Buben säubert die Pinsel – ordentlich, sonst könnt ihr was erleben.« Er griff nach seinem schwarzen Barett. »Komm, wir gehen!«
    »Du willst noch einmal fort?« Die hohe Stimme von Barbara Cranach, die unbemerkt die Werkstatt betreten hatte, durchschnitt die angespannte Stille. »Aber das Essen ist so gut wie fertig. Und jeder Braten wird trocken und zäh, wenn man ihn zu lange auf dem Feuer lässt.«
    Sie besitzt die Eigenschaft, sich unsichtbar zu machen, dachte Jan, kann kommen und gehen wie ein Geist. Selbst wenn man sie eine ganze Weile anschaut, weiß man doch hinterher nicht mehr genau, was man gesehen hat. Dabei ist ihr volles Gesicht mit den hellblauen Augen alles andere als unansehnlich, und im flachsblonden Haar schimmern noch keine Silberfäden. Fünf Kinder hat sie dem Alten geboren – und ist doch auf keinem einzigen seiner bisherigen Gemälde verewigt, als vergesse der Maler zwischendrin selbst, mit wem er eigentlich verheiratet ist.
    »Hör auf, meine Frau so gierig anzustarren!«, sagte Cranach ungehalten. »Du weißt ganz genau, dass ich das nicht leiden kann. Deine stadtbekannten Possen als Weiberheld sind in diesen Mauern nichts wert, Seman! Was du in den Elb-Auen anstellst, soll mir egal sein. Aber bis du eine anständige Braut freien kannst, musst du noch deutlich an Fleiß und Ausdauer zulegen, sonst wird nichts daraus.«
    Er zwinkerte Barbara zu.
    »Und jetzt will ich sofort ein freundliches Gesicht sehen. Denn wäre dein Mann nicht so geschickt im Auftreiben neuer Aufträge, gäbe es weder dieses geräumige Haus noch die Küche, in der du nach Herzenslust befehlen kannst. Also hör auf zu lamentieren, gieß lieber ein bisschen Bier zum Braten, und heb uns zwei anständige Portionen auf, damit wir unseren Hunger später stillen können!«
    Er griff nach einer Laterne, die er schon bereitgestellt hatte, und ging so schnell hinaus, dass Jan sich anstrengen musste, ihm zu folgen.
    Schon nach wenigen Schritten war Jan klar, wohin es ging.
    »Ihr wollt zum Schloss?«, fragte er halblaut. »Dann ist es also der Kurfürst, der …«
    »Ist es nicht«, unterbrach ihn Cranach. »Seine Hoheit weilt in Meißen. Und dir rate ich, den vorlauten Schnabel heute Abend nicht allzu weit aufzureißen. Mein Auftraggeber wünscht äußerste Diskretion. Die wird er auch bekommen.«
    »Wozu braucht Ihr dann mich?«
    »Das wirst du schon noch rechtzeitig erfahren.« Inzwischen ging Cranach so schnell, dass Jan Seitenstechen bekam. Er verstummte für den Rest des Weges und konzentrierte sich darauf, gleichmäßig zu atmen.
    Lucas Cranach steuerte nicht das Hauptportal des Schlosses an, sondern einen Seiteneingang, den man sehr leicht hätte übersehen können. Aber der Maler hatte die ersten Jahre seiner Zeit in Wittenberg in der Residenz gelebt und kannte sich daher bestens dort aus.
    Er ließ den grünspanigen Klopfer gegen das Holz schlagen. Erst geschah nichts, dann öffnete sich die Tür, und sie wurden eingelassen.
    Ein gebeugter Diener führte sie eine schmale Treppe hinauf. Die Holzstufen knarrten unter ihren Stiefeln. Dann waren sie in einem dunklen Gang angekommen.
    Der Diener verbeugte sich und verschwand.
    »Du verziehst dich jetzt auf der Stelle in das Gemach zur Linken.« Cranachs Stimme klang auf einmal heiser vor Anspannung. »An der Wand hängt eine große Leinwand. Diese wirst du eine halbe Handbreit nach rechts rücken – behutsam, versteht sich. Durch den Spalt kannst du
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