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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut
Autoren: Brigitte Riebe
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dir trauen?« Sie wich zurück. »Gerade eben wolltest du uns noch einsperren oder sogar verstümmeln lassen!«
    »Habt ihr denn eine andere Wahl?«, fragte er zurück. »Außer dem mag ich Nonnen. Das hat mir schon meine Großmutter beigebracht, als ich noch ein kleiner Bub war. Anna hieß sie, lebte in Prag, und ich spreche beim Beten noch heute jeden Tag mit ihr. Worauf also wartet ihr?«
    Sie trabten mit ihm, wortlos und in einigem Abstand, was ihn zu irritieren schien, denn er blieb immer wieder stehen, als befürchtete er, sie könnten es sich doch noch anders überlegen. Schließlich kam der Marktplatz in Sicht, gepflastert, von zwei- bis dreistöckigen Häusern umgeben, die alle in gutem Zustand schienen.
    »Hier ist das Brauhaus .« Er war stehen geblieben. »Hinein mit euch!«
    Der Gastraum war niedrig und gut besucht. Nur im hinteren Eck fand sich ein freier Tisch, an den er die beiden drängte. Ohne lange zu fragen, bestellte er Speisen und Getränke, dann begann er zu reden.
    Bald schon kannten sie seinen Namen: Jan Seman aus Prag, Geselle beim berühmten Maler Lucas Cranach, der gleich nebenan eine große Werkstatt betrieb und sich vor Aufträgen kaum retten konnte. Das alles erzählte Jan wortreich, unter malt von zahlreichen Gesten, während Susanna und Bini schweigend ihren Hunger mit dem Dinkeleintopf stillten, in dem reichlich Schwarte schwamm. Zwei randvolle Teller hatte jede von ihnen bereits ausgelöffelt. Und auch von dem Brotlaib, den die rotwangige Wirtin auf den Tisch gestellt hatte, war kaum noch etwas übrig.
    »Seit Monaten hab ich nicht mehr so gut gegessen!« Bini räkelte sich wohlig.
    »Für fromme Schwestern zeigt ihr in der Tat erstaunli chen Appetit«, sagte Jan. »Und das hiesige Bier scheint euch ebenfalls zu schmecken. Soll ich noch einen Krug bringen lassen?«
    Bini war schon drauf und dran zu nicken, doch Susannas besorgte Miene hinderte sie daran.
    »Wieso tust du das?«, sprach sie Jan direkt an. »Du kennst uns nicht, und das Geld für das Essen müssen wir dir schuldig bleiben. Falls du dir allerdings einbilden solltest, wir würden dich auf andere Weise entlohnen …«
    Sein Gesicht war auf einmal ganz nah.
    »Sieh mich an!«, verlangte er. »Ich will, dass dir keines meiner Worte entgeht.«
    Notgedrungen gehorchte sie.
    »Ich muss mir keine Weiber kaufen«, sagte er, und sein singendes Deutsch hatte auf einen Schlag die warme Klangfarbe verloren. »Bislang sind sie alle noch immer freiwillig zu mir gekommen. Das solltest du dir merken!«
    Seine Augen hatten die Farbe von dunklem Waldhonig. Die Nase war kräftig, aber nicht zu breit. Er schien noch keinen seiner Zähne verloren zu haben. Wenn er den Mund öffnete, schimmerten sie hell zwischen den vollen Lippen. Eine braune Strähne fiel ihm immer wieder in die hohe Stirn. Am anziehendsten aber war das Grübchen im Kinn, das ihm etwas Vorwitziges gab.
    Susanna senkte den Blick.
    Es gehörte sich nicht, Männer derart schamlos anzustarren, und sie nahm es ihm übel, dass er sie dazu gezwungen hatte. Sie wurde nicht recht schlau aus diesem Kerl, dessen Stimmungen so schnell zu wechseln schienen wie das Wetter an einem launischen Apriltag. Wieso nur war sie im Schwan ausgerechnet an ihn geraten?
    »Wir brauchen keine Hilfe«, sagte sie trotzig. »Bisher sind wir auch allein ganz gut zurechtgekommen. Wir werden uns eine Scheune suchen und dort unser Nachtlager aufschlagen.«
    »Ach ja? Dann wünsche ich dabei recht viel Vergnügen!«, entgegnete Jan grinsend. »Wittenberg wimmelt nur so von unbeweibten jungen Burschen. Für einen Besuch im Hurenhaus fehlt den meisten Studenten das Geld. Und die hiesigen Handwerksmeister halten ein scharfes Auge auf ihre ledigen Töchter, das darfst du mir glauben. Deshalb ist den Kerlen auch jede Gelegenheit willkommen …«
    »Was genau hättest du uns denn anzubieten?«, fiel Bini ihm rasch ins Wort.
    »Das beste Haus der ganzen Stadt«, sagte Jan. »Solltet ihr allerdings wagen, dort auch nur ein einziges Krümelchen zu stibitzen, bekommt ihr es mit mir zu tun!«
    *
    Die Frau, die ihnen im Torbogen entgegentrat, trug ein braunes Kleid, das ein hoher heller Kragen schmückte. Ihr röt liches Haar wurde von einem Netz zusammengehalten. In ihren Armen lag ein schlafender Säugling, während ein blondes Kleinkind an ihrem Rock zerrte.
    »Hansi ist schon den ganzen Tag unruhig«, sagte sie, und in den schräg liegenden Augen erschien ein Lächeln. »Vorhin hat er so fest gegen die Wiege
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