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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten
Autoren: Andrea Schacht
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gesagt, Goswin, dass ich es nicht mag, wenn deine Freunde ihre Huren hierher mitbringen. Geh bitte hinein und sag ihnen, sie sollen die Dirnen wegschicken.«
    »Was bist du nur für eine prüde Zicke. Lass die Männer doch ihren Spaß haben.«
    »Wenn sie den haben wollen, dann sollen sie ins Frauenhaus gehen. Wir führen eine ehrbare Wirtschaft.«
    »Was ist schon ehrbar? Männer, die tagelang unterwegs sind, brauchen willige Weiber. Du solltest dir ein Beispiel an denen nehmen, dann würdest du wenigstens Geld in die Kasse bringen.«
    Er war ein grober Stiesel.
    »Ich bringe genug ehrbar erworbene Münzen in die Kasse, Goswin, und ich versaufe nicht selbst unseren Wein. Wenn du die Dirnen nicht wegschickst, werde ich Elseken verraten, was du mit derlei Weibsvolk hinter der Remise treibst.«
    Sie hatte das Vergnügen, ihren Stiefsohn rot anlaufen zu sehen. Immerhin – ein Druckmittel hatte sie. Elseken würde ihm mit ihrer scharfen Zunge einen Vorgeschmack der Hölle bereiten. Mit einem bitterbösen Blick streifte er sie. Sie lächelte ihn sanft an und wies mit der Hand zum Gasthaus.
    »Deine Freunde hören auf dich, nicht wahr?«
    Sie hatten ein Palaver veranstaltet, waren zwar nicht fortgegangen, aber die Dirnen hatten sich zurückgehalten. Schließlich machten sich die meisten Gäste wieder auf den Weg, und Laure spannte das Wägelchen an, um nach Poll am Rhein zu fahren. Hier wollte sie für den nächsten Tag frischen Lachs von den Fischern kaufen.
    Ein kühler Wind trieb einige Wolken über den Himmel, das langohrige Maultier trottete einigermaßen gehorsam den Karrenweg entlang, und schon bald kamen die Hütten des kleinen Dorfes in Sicht. Nachen dümpelten an der Kaimauer, Netze waren auf Holzgerüsten aufgespannt, Kinder mit eifrigen Fingern flickten sie. In tropfenden Weidenkörben zappelten silbrige Fische, die von einigen Frauen verkauft wurden. Laure sprang vom Wagen, bat ein strubbeliges Mädchen, die Zügel des Maultiers zu halten, und prüfte das Angebot. Sie war bekannt bei den Fischmengerschen, und keine von ihnen wagte es, ihr minderwertigen Fang anzubieten. Ein wenig handelten sie, eher zum Vergnügen als ernsthaft, und mit vier schönen, großen Lachsen konnte sie bald darauf den Wagen beladen.
    Sie wollte sich schon auf den Rückweg machen, als sie beinahe über ein kniendes Weib gestolpert wäre, das ihr bettelnd die Hand entgegenhielt.
    »Gebt ihr eine kleine Münze«, riet ihr eine der Fischerfrauen. »Sie ist ein bedauernswertes Geschöpf und kann nicht sprechen.«
    Laure blieb bei der Bettlerin stehen und sah zu ihr herunter. Lumpen trug sie, und erbärmlich mager war sie darunter. Ihre dunklen Haare wiesen einige silberne Fäden auf, aber ihre Augen blickten klar. Sie betrachtete das verhärmte Gesicht und erkannte Leid darin, doch keine Falschheit.
    »Du kannst nicht sprechen, aber hören kannst du?«
    Das Weib nickte.
    »Kannst du auch arbeiten?«
    Wieder nickte sie.
    »Ich bin die Wirtin der ›Bischofsmütze‹, oben am Mauspfad. Ich könnte noch eine Magd brauchen. Es ist schwere Arbeit, aber du bekommst dreimal am Tag Essen, ein Lager in der Gesindekammer und neue Kleider.«
    Sie hatte ausdrucksvolle Augen, fand Laure, und in ihnen spiegelte sich Hoffnung und Dankbarkeit. Die schmutzigen Finger ergriffen ihre Hand, und die Frau neigte ihren Kopf darüber, um sie zu küssen.
    »Na, na, so weit ist es nun doch nicht mit mir her. Steh auf, und setz dich hinten auf den Karren. Oder müssen wir noch deine Habseligkeiten holen?«
    Die Frau schüttelte den Kopf und zog ein kleines Bündel hinter einem Busch hervor. Viele irdische Güter schien sie wahrlich nicht zu besitzen.
    »Ihr seid eine gottgefällige Frau«, bemerkte die Fischmengersche. »Wir haben ihr geholfen, so gut es ging, aber bei Euch wird sie es besser haben.«
    »Woher kommt sie?«
    »Wir wissen es nicht. Sie tauchte vor einem Monat hier auf, und – wie gesagt – sie spricht nicht. Sie hat keine Zunge mehr.«
    Laure packte ein Grauen. Das Schicksal dieser Bettlerin mochte schlimmer sein, als sie ahnte. War sie eine bestrafte Verbrecherin? Vielleicht, doch wenn, dann hatte sie ihre Strafe erhalten und sollte nun nicht weiter der Ungnade ausgeliefert sein. War sie bösen Gemütes, würde sie sie fortschicken.
    Schweigsam machte sie sich mit ihren Einkäufen und der neuen Magd auf den Heimweg.
    »Ein schmutziges Bettelweib …?«
    »Wir haben viel zu tun, Elseken, ein weiteres Paar Hände ist mir sehr
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