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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon
Autoren: Phil Rickman
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Bildung», hatte Mistress Cadwaladr es ausgedrückt. «Eine Frau, die ihren Platz kennt und keine großen Fragen stellt. Eine Hausmagd mit Ehering.»
    Und genau das hatte er für ein paar Jahre auch bekommen. Ich nehme an, dass sich das zu ändern begann, als Cate lesen und schreiben lernte. Aber es dauerte wohl noch eine ganze Weile, bis sie dann letztlich eine Gefahr für ihn und seine heimliche Arbeit für die Franzosen wurde. Vielleicht hatte sie gemerkt, dass er kein einfacher Arzt war, als sie enger mit ihm zusammenzuarbeiten begann. Vielleicht kam sie dahinter, weil sie ab und zu einen seiner Patienten kerngesund auf dem Markt traf, nachdem Matthew ihm am Tag zuvor angeblich einen dringenden Besuch am Krankenlager abgestattet hatte. Jedenfalls war sie irgendwann nicht mehr die Frau, die er geheiratet hatte. Auf die eine oder andere Art hatte sie herausgefunden, wer Matthew wirklich war. Und von da an war sie dem Tod geweiht gewesen.
    Die Unmenschlichkeit religiöser Eiferer. Was war schon das Leben von zwei Frauen wert, wenn man dafür ein ganzes Land wieder in den Schoß der einzigen und wahren Kirche zurückführen konnte?
    Fyches Hass auf Hexen und das Pulver der Visionen kamen Borrow dabei nur gelegen. Ich hätte meine Bibliothek darauf verwettet, dass der Einbruch ins Behandlungszimmer, der zu dem Tod des Jungen in Somerton geführt hatte, irgendwie von Borrow selbst eingefädelt worden war.
     
    †
     
    Der Wind peitschte den Rosenbusch, der Josefs Stab entsprungen war. Es war wieder kälter geworden – genau wie Benlow gesagt hatte, war der Winter noch nicht zu Ende.
    «Ich wurde dazu erzogen, ihn wegen seiner Fähigkeiten und seiner fast unermesslichen Großzügigkeit zu bewundern. Und ich sollte ihn mit meinen kindlichen Freuden und Nöten nicht belästigen», sagte Nel.
    Sie starrte in die Ferne, ihre Stimme ausgeglichen, ohne Zorn oder Bitterkeit. Die Stimme einer Frau, die von den Toten zurückgekehrt war, aber nicht vollständig im Diesseits lebte. Eine Persephone, die einen Teil von sich in der Unterwelt zurückgelassen hatte. In dem Moment begriff ich, dass selbst ein Mann der Wissenschaft und Erforscher des Verborgenen sie niemals vollständig verstehen könnte.
    «Sie hat dir nie gesagt, dass du nicht seine Tochter bist?», fragte ich.
    «Das hat sie niemandem erzählt.»
    «Wie hast du es erfahren?»
    «Nicht von meiner Mutter. Das habe ich erst nach ihrem Tod herausgefunden.»
    «Als Mistress Cadwaladr nach Glastonbury zurückgekehrt ist?»
    «Sie war die Einzige, die es wusste. Die Einzige, die das
interessiert
hat.»
    Sie schwieg einen Moment, und als sie mich ansah, konnte ich den Schmerz in ihren Augen brennen sehen.
    «Dadurch wurde er mir nur noch wichtiger, John. Ich war
stolz
darauf, die Tochter von Matthew Borrow zu sein, dem besten Arzt in ganz Somerset.»
    Sie schaute hinüber zu den Ruinen der Abtei.
    «Eines Tages werde ich ihn finden», sagte sie. «Es gibt noch so viele offene Fragen.»
    Ich hingegen hoffte, dass sie ihn niemals finden würde.
    «Hat deine Mutter denn nie … bemerkt, dass er kein Herz hatte?»
    «Sie verdankte ihm ihr Leben. Verstehst du das nicht? Alles Gute in ihrem Leben hatte sie
ihm
zu verdanken … egal, warum er es getan hatte.»
    «Im Gerichtssaal hat sie ihn nicht angeschaut. Sie hat den Blick abgewandt.»
    «Vielleicht konnte sie es nicht ertragen zu sehen, wie …» Sie blickte hinab zu dem Feld, wo das Holzkreuz stand. «Das möchte man nicht mit ins Grab nehmen.»
    Sie weinte, und ich hielt sie fest in meinen Armen. So verweilten wir eine Zeitlang. Ich versuchte es zu verstehen, aber es gelang mir nicht. Wir wussten beide, welche Frage ich noch stellen musste, wenn sie mich nicht auf ewig quälen sollte.
    «Ich glaube, sie hat gewusst, was passieren würde», sagte sie schließlich. «Ich ging damals aufs College in Bristol und war für eine Woche zu Besuch hier. Da sagte sie mir, ich solle fortgehen, wenn meine Ausbildung beendet sei. Weit weg. London … irgendwohin. Sobald ich das College abgeschlossen hätte. Ich konnte den Gedanken, sie nie wiederzusehen, einfach nicht ertragen. Aber ich musste es ihr versprechen. Das war eine Woche vor ihrer Verhaftung.»
    «Und hast du es ihr versprochen?»
    Sie spannte sich an.
    «Nein, ich weigerte mich. Ich habe gelacht! Und das verfolgt mich. Sie glaubte, ihr Tod würde mich eines Besseren belehren. Das verfolgt mich. Vielleicht hat sie mich für klüger gehalten, als ich bin. Irgendetwas hat
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