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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen
Autoren: Paul Harding
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Unterstützung bei Freunden und
Bundesgenossen. Bei Männern wie Springall - Sir Thomas
Springall, Goldschmied, Kaufmann und Ratsherr der
Stadt.«
    »Springall ist
tot«, stellte Cranston fest, »und damit hat der Herzog
einen mächtigen Freund verloren.«
    »So ist
es.«
    Athelstan sah, wie die
Obsidianaugen des Oberrichters den Coroner anfunkelten, und griff
ein, ehe noch größerer Schaden angerichtet werden
konnte. Sir John war Anwalt vom Middle Temple und vom verstorbenen
König zum Untersuchungsrichter ernannt worden, eine Ernennung,
die vom Unterhaus und von den Kaufleuten der mächtigen
Zünfte bestätigt worden war - aber selbst er konnte zu
weit gehen.
    »Seine Gnaden
Lord Gaunt betrauert gewiß Springalls Tod?« fragte
Athelstan.
    »In der
Tat.« Fortescue stand auf und ging zu einem kleinen Tisch in der Ecke, auf
dem einige Becher standen. Er füllte sie bis zum Rand und
brachte sie herüber. Athelstan lehnte ab; es war zu früh
am Morgen für solche Getränke, aber Cranston ließ
sich nicht lumpen und leerte gleich beide Becher, kippte sie mit
langgezogenem Gluckern in seine weiträumige Kehle. Als er
fertig war, stellte er die Becher geräuschvoll vor sich auf
den Tisch, verschränkte die mächtigen Arme und schaute
den Oberrichter mit festem Blick an.
    »Sir Thomas
Springall«, fuhr Fortescue fort, »war ein guter Freund
des Herzogs. Ein enger Geschäftspartner. Ich war dort, und
auch seine Gemahlin, sein Bruder Richard und einige Kollegen. Ich
ging nach Sonnenuntergang, als die Glocken von St. Mary Le Bow zum
Abend läuteten. Es war ein angenehmer Abend - die Unterhaltung
wie das Essen höchst appetitlich und anregend. Wie Sir Richard
Springall mir berichtete, zog Sir Thomas sich kurz vor Mitternacht
zurück. Obwohl verheiratet, schlief er doch in einem Gemach
für sich. Er wünschte seiner Gemahlin, seinem Bruder und
seinen Freunden eine gute Nacht und ging hinauf in sein
Schlafzimmer, wo er wie stets die Tür abschloß und
verriegelte. Nun war Sir Thomas ein Mann der fleischlichen
Genüsse. Wie Ihr, Sir John, schätzte er ein gutes Glas
Rotwein. Sein Diener, ein Mann namens Brampton, hatte Anweisung,
jeden Abend einen Becher davon auf den Tisch neben dem Bett zu
stellen. Heute morgen nun wollte Springalls Kaplan, Pater Crispin,
ihn wecken und erhielt keine Antwort. Andere wurden herbeigerufen,
und um es kurz zu machen: Man brach die Tür auf. Sir Thomas
Springall lag tot in seinem Bett, und der Weinbecher neben ihm war
halb leer. Der Arzt wurde geholt; er untersuchte den Leichnam und
den Inhalt des Weinbechers und erklärte, Sir Thomas sei
vergiftet worden. Sofort wurde alles durchsucht.« Fortescue
machte eine Pause und fuhr sich mit der Zunge über die
schmalen Lippen. »Bramptons Kammer war verlassen, doch als
man seine Truhe durchwühlte, entdeckte man am Boden unter
einigen Kleidungsstücken Phiolen mit Gift. Und vor einer
Stunde wurde Brampton erhängt in einer Dachstube
gefunden.« Fortescue tat einen tiefen Seufzer. »Wie es
scheint, hatten Brampton und Sir Thomas im Laufe des Tages einen
Streit bekommen, der am frühen Nachmittag seinen
Höhepunkt erreicht hatte. Brampton benahm sich mürrisch
und verschlossen. Er muß das Gift gekauft oder schon gehabt
haben; dann trug er den Becher in das Zimmer seines Herrn, gab das
Gift hinein und ging. Doch wie Judas packte ihn die Reue. Er ging
auf den Speicher des Hauses und erhängte sich
dort.«
    »Merkwürdig«,
sann Cranston und schürzte die Lippen. »Was, Sir
John?«
    »Da haben wir
einen Dienstboten, der mit seinem Herrn gestritten hat und
hinausgestürmt ist. Trotzdem vergißt er seine Pflichten
nicht und trägt den Becher Wein hinauf.« »Wenn der
Wein nicht vergiftet gewesen wäre«, erwiderte Fortescue
scharf, »dann wäre es wohl eine Freundlichkeit gewesen.
Aber ein Mann, der einen vergifteten Kelch darreicht, Sir John, ist
kein
Freund.«       
    »Wo liegt dann
das Geheimnis?«
    Fortescue
lächelte dünnlippig.
    »Ah, das sollt
Ihr ja herausfinden. Lord Gaunt vermutet, daß es eines gibt.
Bedenkt, daß Springall der Krone Geld geliehen hat. Es
könnte Gründe geben, den Tod des Kaufmanns als ein
Problem für den Regenten zu betrachten.« Fortescue
zuckte die Achseln. »Seine Gnaden hat mir nicht seine
geheimsten Gedanken offenbart, aber er glaubt, daß seine
Herrschaft bedroht sein könnte.«
    Der Oberrichter nahm
eine mit scharlachrotem Band verschnürte Schriftrolle und
reichte sie Cranston. Athelstan sah das Purpursiegel
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