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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt
Autoren: Alfred Weidenmann
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Rothaarigen seine Hand hin. Alibaba wußte nicht recht, was er sagen sollte.
    „Wie gerührt er ist. Er hat die Stimme verloren —“ meinte Hauptschriftleiter Sprinter lachend.
    Und da endlich grinste auch Alibaba über sein ganzes breites Sommersprossengesicht. Unwillkürlich schloß sich die Horde diesem Grinsen an.
    „Hoch Alibaba!“
    Das war natürlich wieder Sam. Der kleine Nigger konnte doch tatsächlich kitschig sein wie der schlechteste Fünfzigpfennigroman. Daß sich Harald während der letzten fünf Minuten etwas sehr nahe an den Hauptschriftleiter Sprinter herangemogelt hatte, fiel weiter nicht auf. Niemandem. Vor allem Sprinter selbst merkte es nicht. Erst etwa zehn Minuten später, als Mr. Voss mit seinem Hauptschriftleiter im schmalen Viereck des Aufzuges stand, der ihn zu seinem Arbeitszimmer in den achten Stock des Verlagsgebäudes hinauftrug, zeigte es sich, was Harald so sehr in die Nähe seines neuen Vorgesetzten getrieben hatte.
    Unter dem Kragenaufschlag von Sprinters Mantel war nämlich ein Stück Papier eingeklemmt. Irgendein Blatt, das sichtlich in Eile aus einem Notizblock gerissen worden war. Diesen Zettel sah jetzt Mr. Voss, als ihm so etwa in Höhe des zweiten Stockwerks sein Hauptschriftleiter den Rücken zuwandte. Ohne daß Sprinter es bemerkte, nahm der Allgewaltige das Stück Papier an sich. Er ahnte bereits, was das zu bedeuten hatte. Und eigentlich brauchte er die mit Bleistift geschriebenen Worte erst gar nicht zu lesen---

    Dieses Mal knüllte Mr. Voss das Stück Papier nicht zusammen. Er warf es auch nicht weg. Vielmehr glättete er es und legte es wie einen Hundertmarkschein sehr sorgfältig in seine Brieftasche.
    Im übrigen hielt jetzt der Aufzug. Hauptschriftleiter Sprinter öffnete die Türe, und der Allgewaltige ging lächelnd an ihm vorbei in den Korridor.

Alibaba fiihlt sich wie eine Ölsardine

    An diesem Abend kutschierten die Jungen in den roten Rollpullovern ihre Zeitungsstapel durch die Stadt wie Herrenfahrer. Sie hielten die Lenkstangen ihrer Räder nur mit einer Hand und schienen sich Zeit zu lassen. Sehr viel Zeit. So fuhr die Horde durch die Straßen, wie etwa die Schulklasse eines Mädchenpensionats, die mit ihrer Lehrerin einen Fahrradausflug ins Grüne macht.
    Noch bis zum frühen Nachmittag waren Kriminalbeamte in Zivil vor den Türen und Eingängen des Nachtexpreß gestanden. Vor allem vor der Druckerei. Und als man den Betrieb dann wieder freigegeben hatte, war es für die heutige Abendausgabe zu spät gewesen.
    Das Abendblatt erschien heute also ohne jede Konkurrenz.
    Alibaba pfiff vergnügter denn je seinen Toreromarsch vor sich hin. Die Horde schlich förmlich durch die Stadt. An jeder Kreuzung wurde artig haltgemacht, jedes Stopplicht wurde peinlich beachtet, kein Auto wurde überholt.
    Die Horde war auf dem Wege, sich bei der augenblicklichen Verkehrserziehungswoche ein Ehrendiplom der Polizei zu verdienen. Und wenn um zwanzig Uhr nicht im Unionhaus der Beginn für das Konzert Vater Verhovens festgesetzt gewesen wäre, wer weiß, ob Alibaba mit seinen Jungen nicht regelrechte Ehrenrunden um den Großen Stern gefahren hätte.
    Aber, wie gesagt, um zwanzig Uhr mußte man pünktlich seine Plätze eingenommen haben. Fünfzig Plätze. Sozusagen die ganze sechste und siebente Reihe im Parkett---
    Vater Verhoven stand dann vor dem Philharmonischen Orchester in einem nagelneuen Frack auf dem Podium. Dieser Frack war nicht ganz so modern geschnitten wie der, den Peter von Bertelmann noch vor wenigen Tagen an derselben Stelle zur Schau getragen hatte. Dafür bot der Abend andere Vorzüge.
    In den Logen sah man Professor Beckmann neben Mr. Voss. Der Italiener von der Mailänder Scala saß mit den Musikprofessoren aus Zürich und Berlin zusammen, und irgendwo in einer Loge hatte auch Hauptschriftleiter Sprinter Platz gefunden. Besonders die Vertreter der Presse waren erstaunt darüber, neben ihm den Chef des Nachtexpreß zu sehen. Die beiden Herren schienen sich plötzlich ausgezeichnet zu verstehen.
    Ihre Unterhaltung im Presseklub würde Dr. Malborn allerdings wohl sein Leben lang nicht vergessen. Als einst Egmont in Antwerpen aufs Schafott stieg, konnte es ihm auch nicht übler zumute gewesen sein als dem Dicken, wie er in seiner Limousine zum Hauptschriftleiter der Konkurrenz in diesen Presseklub gefahren war. Aber Sprinter hatte nicht Scharfrichter gespielt. Er war dem Kollegen auf halbem Wege entgegengekommen, und die beiden hatten sich geeinigt, wieder
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