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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt
Autoren: Alfred Weidenmann
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sogar.
    Hauptschriftleiter Sprinter war der Meinung gewesen, daß Harald erst mal bei jeder Redaktion vier oder fünf Wochen Umschau halten sollte. Und da der Junge mit Sportschriftleiter Pleschke ja schon bestens bekannt war, wurde bei ihm der Anfang gemacht. Hier würde er sich am schnellsten eingewöhnen und zu Hause fühlen.
    Kurz nach Büroschluß hatte Sportredakteur Pleschke noch Besuch bekommen.
    Einen Besuch, der ganz den Eindruck machte, als ließe er sich nicht allzufrüh wieder verabschieden.
    Bob Roller hatte sich am vergangenen Sonntag in Paris die Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht geholt. Dabei war der lebhafte Kerl mit seinen blonden Locken erst knappe dreiundzwanzig Jahre alt. Für die dreiundzwanzig Jahre allerdings schon sehr hoch und breit gewachsen.
    Bob war vor einer Stunde zusammen mit seinem Manager wieder aus Paris zurückgekommen, und sein erster Weg hatte ihn gleich zu Rudi Pleschke geführt. Direkt vom Bahnhof zur Sportredaktion des Abendblattes sozusagen. Und da war er nun gerade dabei, Rudi Pleschke, mit dem er gut befreundet war, haargenau Runde für Runde des Meisterschaftskampfes zu berichten. Dabei hatte ein Kleiderständer, an dem noch Pleschkes heller Staubmantel und der leichte Kamelhaarmantel des Managers hingen, den französischen Gegner darzustellen. Zwischen dem Schreibtisch und dem Bücherschrank war die „neutrale Ecke“.
    In diese Ecke schob Bob Roller gerade mit seinem rechten Fuß den erwähnten Kleiderständer. Es handelte sich um das Ende der vierten Runde. Noch etwa zwanzig Sekunden vor dem Gong---
    „Der Kerl deckt sich verdammt gut. Klar — er war schon angeschlagen. Aber ein zäher Brocken. Und noch verdammt schnell auf den Beinen. Ich habe ihn aber jetzt direkt in der Ecke. Mit dem Rücken fast am Seil. Zweimal links — da ist er für eine Sekunde frei. Quatsch — für den Bruchteil einer Sekunde. Sein Kinn, die ganze rechte Gesichtshälfte liegt vor mir wie das Schwarze in einer Zielscheibe. Bob! Jetzt! Jetzt! Wie elektrisiert springt es mir in meine Rechte. Ich spüre es durch den Handschuh, wie ich ihn getroffen habe. Und tatsächlich liegt er dann am Boden. Das erste Mal. Nach fünf Sekunden allerdings kommt er wieder hoch. Er kippt noch hin und her. Ganz weich in den Knien. Die Augen weit aufgerissen wie zwei Radieschen — da kommt der Gong---“
    Rudi Pleschke wußte ja, daß der Kampf über vierzehn Runden gegangen war. Er hatte also noch zehn Runden durchzustehen. Drunten im Erdgeschoß war eine Kantine. Vielleicht hatte sie noch nicht geschlossen.
    Bob Roller schilderte gerade seinen überfallartigen Angriff in der fünften Runde. Dieser Angriff kam Rudi Pleschke sehr gelegen. Er dirigierte den Boxer also unmerklich aus dem Zimmer dem Korridor zu. Es war ja durchaus denkbar, daß der imaginäre Gegner zur Abwechslung auch mal in dieser Richtung zu suchen wäre.
    Der strohblonde Boxer folgte, ohne zu zögern. Schließlich war es ja gerade seine Stärke, sich nie überraschen zu lassen. Durch diesen plötzlichen Kurswechsel schon gar nicht. Und seine Schilderung des Pariser Kampfes erlitt dadurch nicht die geringste Unterbrechung.
    Auf der ersten Stufe des Treppenhauses war es soweit, daß der Ringrichter den Franzosen gerade verwarnte. Er hatte gut und gerne fünf Zentimeter unter die Gürtellinie geschlagen — --
    So kam es, daß Harald auch noch lange nach Schluß der üblichen Arbeitszeit im Zimmer 417 der Sportredaktion sitzen konnte. Und zwar völlig allein.
    Harald sah zu Rudi Pleschkes Schreibtisch hinüber. Weniger zu all den Manuskripten und den Fotos, die dort wie Kraut und Rüben durcheinander lagen. Eigentlich nur zu dieser blanken Stahlröhre, die da aus der Wand sprang und mit ihrer Öffnung direkt über Rudi Pleschkes Schreibtisch zu Ende war. Wie abgeschnitten.
    Diese Rohrpostanlage war eine der aufregendsten Einrichtungen des ganzen Hauses. Aus ihr waren heute immer wieder die sogenannten Kartuschen auf Rudi Pleschkes Schreibtisch geknallt. Und in diesen Kartuschen lagen kleine Zettel mit Nachrichten und Meldungen aus aller Welt. Da das Zimmer 417 zur Sportredaktion gehörte, hatte es sich natürlich um Fußballergebnisse gehandelt, um irgendwelche Autorennen in Argentinien oder um neue Schanzenrekorde in Schweden-
    Alle Rohrpostleitungen des Hauses liefen zur Zentrale. Zur Zentrale der Fernschreiber.
    Mehr als fünfmal war Harald heute schon dort gewesen.
    Da standen zwanzig oder dreißig Apparate nebeneinander. Apparate wie
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