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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt
Autoren: Alfred Weidenmann
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sinken. Er hatte gerade zu dem entscheidenden Schlag ausholen wollen. Einem linken Haken.
    Rudi Pleschke sprang als erster hinter seinem Schreibtisch hervor an das geöffnete Fenster. Aber fast im gleichen Augenblick stand dann auch schon Harald neben ihm.
    Drunten auf der breiten Asphaltstraße kam die Horde angefahren. Die ganze Front des Abendblatt-Gebäudes entlang.
    Man fuhr langsam. Im Schritt sozusagen. Reihe hinter Reihe. Wie ein Radfahrverein bei der Jubiläumsparade.
    Alibaba mußte die zwei Fenster entdeckt haben, die ja noch allein hellerleuchtet waren. Und daß Harald seit heute früh seinen Schreibtisch haargenau hinter einem dieser Fenster stehen hatte, das wußte natürlich jeder Junge der Horde.
    Jeder hatte also sofort ahnen können, worum es ging, als Alibaba bei der Ausfahrt plötzlich bis zum Schrittempo abgebremst und seinen linken Arm wie eine Fahnenstange senkrecht über sich gehalten hatte.
    Augenblicklich wurden jetzt die rund fünfzig Fahrradklingeln der Horde in Tätigkeit gesetzt. Sämtliche Löschzüge der Feuerwehr hätten nicht mehr Krach machen können.
    Aber bei dem Klingeln allein blieb es nicht. Die Jungen hatten das Gefühl, daß noch mehr passieren müsse. Also pfiff jeder auch noch so laut es eben ging oder schrie irgend etwas in die Luft. Nur laut mußte es sein. Damit es auch im zweiten Stock zu hören war.
    Und es war zu hören.
    Selbst dem strohblonden Boxweltmeister hatte es die Stimme verschlagen. Und das wollte viel bedeuten.
    Sportschriftleiter Rudi Pleschke stand mit Harald am geöffneten Fenster. Er stieß seinen neuen Volontär mit dem Ellenbogen und nur eben so in die Seite.
    Harald grinste und boxte zurück. Allerdings nur eben so und mit dem Ellenbogen, denn Rudi Pleschke war ja seit heute sein Chef. Die Horde stand jetzt haargenau unter den beiden hellerleuchteten Fenstern.
    Fünfzig pfeifende, rufende, grinsende Gesichter. Fünfzig ununterbrochen klingelnde Fahrradglocken. Ganz vorne Alibaba. Dicht neben ihm Mario. Dann der kleine schwarze Sam, Klaus Verhoven, Brille---
    Dicht neben Harald auf einem Regal lag ein Stoß Papierzettel. Sie waren für Notizen bestimmt, wenn irgendwelche Nachrichten durchs Telefon durchgegeben würden. Diesen Stapel kleiner weißer Papierzettel packte Harald jetzt und warf ihn im hohen Bogen zum Fenster hinaus. Natürlich wirbelten die Zettel augenblicklich in kleinen weißen Vierecken zur Straße hinunter. Ganz wie so ein Konfettiregen aus den Fenstern der New Yorker Wolkenkratzer, wenn Staatsmänner, Könige, Filmstars oder Ozeanflieger über den Broadway paradieren.
    Die Horde antwortete mit noch lauterem Pfeifen, Schreien und Klingeln.
    Bis jetzt Alibaba seinen linken Arm zur Höhe hob. Genau so steil und gerade wie zuvor.
    Schlagartig brach der Lärm ab. Wie wenn man plötzlich ein Grammophon abschaltet.
    Noch ein letzter kurzer Blick zu den zwei hellen Fenstern, und dann galt die ganze Aufmerksamkeit wieder der Straße. Den zehn oder zwanzig Metern vor dem Vorderrad.
    Und jetzt war es vorbei mit dem Schrittempo. Wie ein Hornissenschwarm preschte die Horde los. Alibaba immer vier oder fünf Meter voraus. Die Hansemannstraße hinunter, am „Telefunken“-Gebäude vorbei zur Bogenbrücke dem Großen Stern zu. Wie an jedem Abend.
    Von den Ausfahrern des Nachtexpreß war übrigens weit und breit noch nichts zu sehen.
    Wenigstens vorerst noch nicht.
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