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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Autoren: Ulrike Nolte
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oben, mal sie.“
    „Ja, das weiß schließlich jeder.
Aber für mich sieht es so aus, als hätte er Randori endgültig gewinnen lassen.
Warum ist sie darüber wütend?“
    „Weil er sie auf einen
Schleudersitz geschubst hat. Natürlich wollte Randori immer an seiner Stelle
Kapitänin werden. Aber wenn sie den Posten ausgerechnet jetzt bekommt, dann
kann sie ihre Politikkarriere vermutlich bald begraben. Lazarus schiebt sie nur
als Sündenbock vor.“ Caravan übernahm gerne die Rolle des Mentors. In solchen
Augenblicken wurde die Lebenserfahrung hinter seinem jugendlichen Gesicht
erkennbar, und er klang wie der abgeklärte Gelehrte, der er war. „Den Planeten
zu besiedeln, wird Opfer kosten. Die Passagiere sind an ein Dasein im Luxus
gewöhnt, die meisten haben ihr ganzes Leben lang keinen Handschlag getan – und
jetzt sollen sie plötzlich eine neue Zivilisation aufbauen? Das wird kaum
funktionieren. Man kann eine planetare Kultur nicht einfach aus dem Hut
zaubern.“ Er unterstrich seinen Vergleich, indem er aus dem Nichts eine blaue
Murmel auf der Fingerspitze rotieren ließ. Caravan gehörte seit fast zehn
Jahren zur Gilde der Artisten und Magier und konnte solche kleinen Tricks mit
Leichtigkeit aus dem Ärmel schütteln. Serail mochte es besonders, wenn sein
Getrauter ihm Rosen aus intimen Körperstellen zauberte. „Außerdem werden wir am
Anfang fast ohne Schiffstechnik auskommen müssen. Ohne den Stromraum und ohne
Recycler wird es dort unten ziemlich unfreundlich werden. Wer jetzt Kapitän
ist, kann froh sein, wenn man ihn nicht schon nach dem ersten Jahr in kleine
Stücke reißt.“
    „Na großartig“, sagte Serail
schnippisch. „Danke für diese Aufmunterung. Jetzt weiß ich, warum ich den
Planeten von Anfang an nicht gemocht habe.“
    „Oh, aber ich bin noch nicht
fertig. Wenn die Katastrophe am größten ist, wird nämlich Lazarus als
strahlender Retter aus der Versenkung auftauchen. Er wird Randori unter allgemeinem
Beifall absetzen und erneut das Kommando übernehmen. Damit ist seine schärfste
Konkurrentin politisch aus dem Rennen. Gleichzeitig dürfte sie genug Vorarbeit
geleistet haben, um die Situation tatsächlich unter Kontrolle zu bringen, so
dass Lazarus am Ende die Loorbeeren einsammeln kann.“
    Serail zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht“, sagte er. „Aber so viel weiß ich doch über Politik, dass Randori
nicht umsonst einen Namen aus der Kampfkunst bekommen hat. Wenn man sie unterschätzt,
findet man sich bald als zusammengefaltetes Paket auf der Judomatte wieder –
bildlich gesprochen.“ Er grinste.
    „Tja, und wir wissen alle, was
‘Lazarus’ bedeutet“, antwortete sein Getrauter. „Man sagt ihn tot, und er steht
wieder auf. Diese Duellrunde dürfte jedenfalls interessant werden.“
    Inzwischen hatte sich die
Aufregung etwas gelegt, und der Ex-Kapitän trat mit einer galanten Geste zurück
und übergab das Wort an seine junge Nachfolgerin. Sie wirkte tatsächlich nicht
so, als könne sie ein Schiff mit über achtzig Großstadtblöcken beherrschen.
Randori strahlte eine erfrischende Natürlichkeit aus: ein sommersprossiges
Gesicht mit einem Wust von widerspenstigen, kastanienfarbenen Locken, die sie
immer wieder energisch aus der Stirn strich. Sie besaß vielleicht nicht Lazarus
geheimnisumwittertes Charisma, aber niemand konnte sich ihrem lebhaften Charme
entziehen. Und Randori nutzte diesen Sympathie-Bonus hemmungslos aus.
    „Ich bin wirklich überwältigt,
Lazarus“, sagte sie in einem Tonfall, der auf irritierende Art gleichzeitig
ehrlich und sarkastisch wirkte. „Die jüngste Kommandantin in der Geschichte des
Schiffes zu werden, das hätte ich nie zu träumen gewagt.“ Sie legte die
Handflächen zusammen und berührte ihre Stirn in einer Geste der Dankbarkeit.
    Randori hatte sich seit ihrer
letzte Taufe einen asiatischen Lebensstil angewöhnt, der zu ihrem Namen passte
… vor allem, damit ihr Status als Gildelose nicht ganz so skandalös wirkte.
Vermutlich war sie die einzig Gildelose im Umkreis von zehn Städten – und begründete
diese Eigenheit damit, dass sie als Justizsenatorin neutral bleiben müsse. Aber
der hauptsächliche Grund war wohl, dass sie es genoss, gegen den Strom zu
schwimmen. Randori gab sich gerne einzigartig.
    Es wäre jedoch ein zu großer Bruch
der Schiffsetikette gewesen, hätte sie darauf bestanden, nur sie selbst zu
sein. Jeder an Bord spielte eine Rolle, wenn er sich in der Öffentlichkeit
bewegte. Da es in den überfüllten
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