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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Autoren: Ulrike Nolte
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lächelte strahlend und winkte zurück.
    Anscheinend waren sie gerade noch
rechtzeitig eingetroffen. Soeben teilte sich die Menge, und eine zierliche
Gestalt mit dem weißgefärbten Haar der Dumas-Kavaliere trat vor den Hauptbildschirm.
Der Dumas klopfte leicht auf den Tonverstärker an seinem Smoking. Die
augenblickliche Stille im Saal sagte viel über den Respekt, den man Kapitän
Lazarus entgegenbrachte. Man konnte die Mannschaft der Arche 32 sonst nicht
gerade als diszipliniert bezeichnen.
    Kein Wunder, dachte Serail bei
sich, denn das Leben der Crew bestand größtenteils aus angenehmer Faulenzerei.
Seit Generationen beschränkten sich die Pflichten der Matrosen auf die Stromwache
zweimal im Monat und einige Routine-Inspektionen. Wer brauchte da schon
Disziplin?
    Der Kommandant begann die
Ansprache ausnahmsweise sehr formell, indem er grüßend seinen Degen zog und an
die Stirn hob. Er schaute in die gespannt wartende Runde und sagte einleitend:
„Ich habe nicht vor, eine lange Rede zu halten.“ Beifälliges Klatschen erscholl
irgendwo aus der Menge, und Lazarus Augen funkelten belustigt … oder verärgert,
das war schwer zu erkennen.
    Serail hoffte für den betreffenden
Zuhörer, dass der Kapitän es mit Humor nahm. Lazarus war schwer einzuschätzen
und alles andere als ungefährlich. Auch wenn er auf den ersten Blick so wirkte:
eine knabenhafte Gestalt mit großen blauen Augen, ein porzellanweißes,
anmutiges Gesicht, das einem Rokokogemälde zu entstammen schien.
    Das Elixier hatte bei Lazarus zu
früh gewirkt, und sein Körper war der eines zierlichen Vierzehnjährigen
geblieben. Selbst wenn man es gewohnt war, das Alter eines Menschen nicht an
seinem Äußeren ablesen zu können, wirkte der Kapitän beunruhigend. Normalerweise
verrieten sich die Antiqui durch ihre Ausstrahlung, die Macht ihrer
Persönlichkeit, ihre Aura, wenn man es so nennen wollte. Aber Lazarus konnte
diesen Effekt ein-und ausschalten, er konnte wirken wie ein unbedarftes Kind,
um gleich darauf einen politischen Gegner allein mit dem Gewicht seiner
zweihundertneunzig Jahre in ein psychisches Wrack zu verwandeln.
    Die Porzellanpuppengestalt hatte
sich nun halb dem Bildschirm zugewandt, der ein Bild des noch weit entfernten Planeten
zeigte. Aus den wenigen gesicherten Messdaten hatte der Strom ein Modell
entworfen, das der alten Erde recht ähnlich sah. Serail hörte nicht wirklich
auf die Ansprache des Kapitäns, auch wenn er sicher war, dass es sich um ein
rhetorisches Meisterwerk handelte. Er starrte auf die Projektion und versuchte
sich zu überzeugen, dass dieser blaue Planet wirklich war. Sein ganzes
Leben hatte er in einer Welt der Illusionen verbracht. Den größten Teil der
Zeit befand er sich im Strom, und manchmal fiel es ihm schwer zu glauben, dass
überhaupt etwas real war. Besonders etwas so Unwahrscheinliches wie ein Wasserplanet

    Er hörte erst wieder zu, als
Lazarus Vortrag eine unerwartete Wendung nahm. „Die Jugend unserer Körper währt
nicht ewig“, sagte der Kapitän in einem sachlichen Tonfall, der sich bewusst
von der vorherigen Rhetorik abhob. „Der Zusammenbruch kommt schnell und
überraschend. Ich habe mein Verfallsdatum schon eine Weile überschritten, und
in der augenblicklichen Situation können wir uns das Problem eines abrupten
Befehlswechsels nicht leisten. Daher habe ich beschlossen und verkünde hiermit
offiziell, dass ich das Kommando an einen Nachfolger abgebe. Von diesem Moment
an gehört das Schiff, seine Crew und jeder Passagier an Bord allein Kapitänin
Randori.“
    Absolute Stille herrschte auf der
Brücke.
    Serail sah zu Justizsenatorin
Randori hinüber, die unter den Offizieren stand und genauso entgeistert wirkte
wie alle anderen. Serail konnte seinen Getrauten dicht hinter sich unterdrückt
lachen hören. Er drehte sich um und zischte ihm ins Ohr: „Was ist daran so komisch?“
    „Der alte Fuchs! Hast du Randoris
Gesicht gesehen? Am liebsten würde sie ihn kielholen.“
    „Was??“ Jetzt brach ein Tumult
aus, der es nicht mehr nötig machte, die Stimme zu senken. Die Offiziere
versuchten vergeblich, die Disziplin wieder herzustellen.
    „Du glaubst doch nicht, dass
Lazarus ernsthaft daran denkt abzudanken?“, fragte Caravan über den Lärm
hinweg.
    „Aber das hat er doch gerade
gesagt! Oh bitte, schau mich nicht an, als wäre ich ein hirnloser Teenager. Ich
interessiere mich nun einmal nicht für Politik.“
    „Die beiden betreiben ihr
Machtspielchen schon seit Jahren. Mal ist er
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