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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Autoren: Ulrike Nolte
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wirkte, als müsste das Gewicht der Passanten es jeden Moment zum
Einsturz bringen. Serail schloss nicht aus, dass dieser Special Effect
tatsächlich zum Programm gehörte. Jedenfalls reichte der Anblick, um ihn
endgültig aus seinem Halbschlaf zu reißen.
    „Ich könnte jetzt in meinem Bett
liegen“, protestierte er achtzig Meter über dem Erdboden, während ein
Dschungelfluss in mörderischer Tiefe brauste und seine Stimme fast übertönte.
“Ich werde mich scheiden lassen.“
    „Natürlich, mein Schatz.“
    „Wieso hast du mich überhaupt aus
dem Schlaf gezerrt? Was hast du mir vorhin ins Ohr geschrieen?“
    Caravan wiederholte duldsam: „Wir
haben einen Wasserplaneten entdeckt.“
    „Was, einen Was-“ sagte Serail,
kehrte mit einem Blinzeln wieder in die Realität zurück und rannte abgelenkt in
einen entgegenkommenden Passagier hinein. „ ... sserplaneten? Das kann nicht
dein Ernst sein.“ Er rieb sich den Ellenbogen und redete weiter, ohne das Opfer
des Zusammenstoßes zu beachten. Serail war Crew, und Entschuldigungen gehörten
nicht zu seinem Lebensstil. „Daran glaubt doch niemand. Schon meine
Urgroßmutter hat erzählt, die Erde sei der einzige bewohnbare Planet in diesem
ganzen öden Universum.“
    „Manchmal können sich auch
Großmütter irren.“
    „ ... sagt mein Getrauter, der mir
sonst immer seine Altersweisheit unter die Nase reibt.“
    „Stimmt“, grollte Caravan streng. „Wenn
ich schon mit einem Grünschnabel wie dir zusammenlebe, erwarte ich etwas mehr
Respekt.“
    Serail ignorierte diese Bemerkung,
schaute beim Gehen in die Spiegelwände und zupfte sorgfältig seine Frisur zurecht.
Sein Haar sah aus wie ein Vogelnest, jammerte er innerlich, und gerade als es
eine gewisse Form anzunehmen schien, endete schlagartig das polierte Metall. Er
seufzte. Hätten sie nicht ein paar Minuten später in die Crewstadt kommen können?
Hier gab es Wandverkleidungen, die wie eine Mischung aus hellblauer Seide und
schillernden Fischschuppen aussahen. Die Straßen hatten doppelte Breite, und
die Decken waren so hoch, dass man sie mit den Händen nicht mehr erreichen
konnte. Die Platzverschwendung gab dem Raum etwas Grandioses. Der Boden war mit
einer weichen, federnden Schicht überzogen, die an Daunengefieder erinnerte. Je
weiter sie zum Zentrum vordrangen, desto leerer wurden die Wege.
    „Also, was denkst du wirklich über
die Sache?“, fragte Caravan, als sie ihr Ziel erreicht hatten und in den
Kommandoraum traten.
    „Was für eine Sache?“ Serail gab
sich begriffsstutzig. Caravan zog nur ein Braue hoch, was er besonders
ausdrucksvoll konnte, und Serail knurrte: „Na gut, wir haben also einen Wasserplaneten
entdeckt. Was ist daran so toll? Wer will schon ernsthaft fremde Welten
besiedeln?“
    Caravan schaute ihn an, als sei er
ein Fall für den Psychiater. „Ich lebe in meiner Kabine wie ein Höhlenmensch“,
sagte er sarkastisch. „Ich muss neben einem schwachsinnigen Lagerfeuer
schlafen. Du sprichst seit Wochen nur noch von ‘Naturverbundenheit’ und
‘terranischer Lebensweise’. Und jetzt erzählst du mir, dass alles so bleiben
soll, wie es ist? Du möchtest den Rest deines Lebens an Bord eines Raumschiffes
verbringen und im Nichts herumirren?“
    Serail zuckte lässig mit den
Schultern. „Bloß weil ich ein bisschen modebewusst bin, nehme ich diese ganze
Erdnostalgie doch nicht ernst. Keine Ahnung, warum alle statt solidem Metall
einen Humusboden unter den Füßen haben wollen. Ich bin sehr glücklich hier an
Bord.“
    „Entschuldige, aber das ist
Blödsinn. Wenn ich jemanden kenne, der den Weltraum nicht erträgt, dann du.
Nach jeder Außenwache muss ich dich davon abhalten, in den Recycler zu
springen!“
    Serail wusste nicht, was er darauf
antworten sollte. Also setzte er seine Primadonnen-Miene auf, wandte sich ab
und ließ seinen Blick durch den Saal schweifen.
     
    In der großen, runden Halle herrschte
ungewöhnliches Gedränge. Es fehlte kaum jemand von den höheren Dienstgraden,
und die meisten waren in Gala-Uniform erschienen, mit roten Kordeln über
königsblauen Smokings. Serail entdeckte einige seiner Freunde aus der Matrosenklasse,
aber er hatte wenig Aussicht, sich zu ihnen durchzukämpfen. Von der anderen
Seite des Saals winkte ihm eine Blondine zu, an die er sich nur noch vage vom
vorigen Abend erinnern konnte. Ihr Name war Mango ... oder Papaya? Es spielte
keine Rolle. Sie hatte ihn noch mehr gelangweilt als die meisten seiner
Partybekanntschaften. Er
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