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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Autoren: Ulrike Nolte
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erklärte Serail unschuldig,
„sie haben ein Brainstorming zum Thema ‘Orient’ veranstaltet, aber der Gedanke,
ausgerechnet dich mit Karawanenromantik in Verbindung zu bringen, ging über
ihre Vorstellungskraft. Also haben sie stattdessen nach etwas Ausschau
gehalten, dass ein bisschen praktischer, verlässlicher, vernünftiger,
langweiliger ...“
    „Schon verstanden“, sagte Caravan,
„so ist aus der Karawane also ein Van geworden. Ich für meinen Teil ziehe einen
schlichten Wohnwagen jederzeit deinem goldenen Käfig vor, du Großkalif.“ Aber
er musste mit einem widerwilligen Grinsen zugeben, dass Serail nicht ganz
Unrecht hatte. Gegenüber seinem Getrauten wirkte er wie die Verkörperung des
Alltäglichen: undefinierbare Haarfarbe, eher blond als braun, schlaksige Figur
und eine etwas zu große Nase, die ihm – wie Serail beteuerte – ein besonders
liebenswertes Aussehen gab. Er hatte in ihrer Partnerschaft gezwungenermaßen die
Rolle des Vernünftigen übernommen. Aber manchmal sehnte er sich doch danach,
besagten Wohnwagen aus der symbolischen Garage zu holen und zu fernen
Horizonten aufzubrechen, wo das Unbekannte und das Abenteuer lockten. Hätte er
diese Vagabundenseele nicht in seinem Inneren besessen, wäre es ihm kaum
gelungen, Serail zu erobern und zu halten.
    „Wo wir schon über Schlichtheit
sprechen, das Design unserer Wohnkabine …“ setzte er an, als sich plötzlich der
Sternenhimmel um ihn herum zusammenfaltete und das Bild der Schiffsbrücke
erschien. Man hatte sein Implantat von außen aktiviert, die Wachablösung war
gekommen.
    Sein Getrauter stand von der Liege
auf und schaute sich unsicher im Saal um. Er schien darauf zu warten, dass sich
auch dieser Anblick wie eine Fata Morgana auflöste. Dann seufzte er erleichtert,
lächelte Caravan an und kippte ohnmächtig zu Boden.
     

 
    Es dauerte fast zwei Wochen, bis die
Arche endlich die Wasserwelt erreichte. Unter den Passagieren hatte die
Aufregung bereits hysterische Formen angenommen. Robinson Crusoe-Programme
waren so begehrt, dass die Designer kaum mit der Produktion nachkamen. Die
Matrosen ließen sich Tauchanzüge fertigen und liefen stolz in isolierenden
Gummischichten durch die Gänge. Man hatte Sonden auf dem Planeten abgesetzt, deren
Kamerabilder ein bizarres Ökosystem versprachen.
    Schließlich hatte sich sogar
Serail von der Begeisterung anstecken lassen und sich zusammen mit seinem
Getrauten zum Freiwilligencorps gemeldet, das auf ‘Archensee’ landen und den
Planeten erforschen sollte.
    Und jetzt hockten sie zu zehnt in
einem winzigen Flieger und stürzten auf den blau leuchtenden Planeten zu.
Serail schaute sehnsuchtsvoll zurück und konnten hinter sich das Heimatschiff
kleiner werden sehen, es trieb wie eine Ansammlung Mikadostäbchen in der Unendlichkeit.
Schon umfassten die ersten Wolkenwirbel das Shuttle, um es mit sich hinab zu ziehen.
Ein Augenschlag von gleißendem Weiß, der kurze rüttelnde Widerstand der Atmosphäre,
und unter ihnen lag das Wasser, von Horizont zu Horizont. Eine unglaubliche
Masse von Wasser, tiefblau im strahlenden Sonnenlicht, das nur hier und dort
von kleinen Inselgruppen unterbrochen wurde.
    Caravan war schon dabei, seinen
Tauchanzug überzuziehen, und Serail machte es ihm nach. Als er wieder Zeit
hatte, aus dem Fenster zu schauen, schwebte der Flieger dicht über der
glasklaren Fläche des Meeres, die den Blick auf seltsame Formen und Farben in
der Tiefe freigab. Überrascht starrte Serail auf das entrückte Märchenland zu
seinen Füßen, das sich mit jeder Wellenbewegung zu verwandeln schien.
    Schließlich musste er den Kopf
abwenden. Das blendende Glitzern der Sonne auf dem Wasser schmerzte in seinen
Augen. Die Schiffsgeborenen hatten ihr Leben in genau abgestimmter Beleuchtung
verbracht, und das intensive Licht dieser Welt berührte Serail mehr als fremdartig.
Er war beinahe froh, dass er durch die Schicht von Kunststoff um seinen Körper
den Wind nicht spürte, der mit seltsamen Klängen um das Shuttle strich, so
wenig wie die Wärme der Sonne auf seiner Haut. Dieser letzte Rest von
Abgeschottetheit, der ihm von der künstlichen Welt seines gewohnten Lebens
geblieben war, gab ihm ein geringes Gefühl von Sicherheit.
    Eine trügerische Sicherheit, das
wusste Serail gut genug. Von den Matrosen an seiner Seite, die mit ihren
Kameras und Messgeräten auf den Absprung warteten, würden wohl einige nicht
zurückkehren. Serail kümmerte das wenig. Das Schicksal von anderen berührte
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