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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Autoren: Ulrike Nolte
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förmlich hören.
    „Hier unten verliert man wirklich das
Gefühl für Richtungen. Ich bin schon froh, wenn ich noch weiß, wo oben und
unten ist.“
    „Tja, dann sollten wir wohl besser
auftauchen.“
    Auftauchen? Seinetwegen? Das war
das letzte, was Serail wollte. Die ganze Angelegenheit war schon peinlich
genug. „In den zwanzig Minuten, die wir noch ohne Taucherkrankheit unter Wasser
bleiben können, wird schon nichts passieren.“
    „... und außerdem schwimmt bei mir
gerade etwas ganz Unglaubliches herum. Also gut, ich habe auch keine Lust, hier
zu verschwinden. Bis in zwanzig Minuten.“
     
    ‚ Wirklich unglaublich’, dachte
Caravan. ‚Ich wünschte, Serail könnte das sehen.’
    Vor ihm schwebte ein metergroßes
schillerndes Geschöpf, das nur aus einem Wirbel hauchdünner Flügel zu bestehen
schien. Sie wuchsen kreisförmig aus einer Mittelachse heraus und ähnelten
durchsichtigen Rochenschwingen. Die Schwimmbewegungen waren von fremdartiger
Schönheit, sie erinnerten an einen Schleiertanz und gleichzeitig an ein
Turbinenrad in schneller Umdrehung. Das Wesen war furchtlos immer näher
gekommen. Nun hatte es einen halben Meter vor Caravans Gesicht angehalten und
betrachtete ihn. Es besaß als Verlängerung der Mittelachse einen schlanken
Hals, den ein Ring aus Facettenaugen wie ein Reif umschloss. Trotz der
ständigen Kreiselbewegung seines Körpers konnte es Caravan auf diese Weise
stetig fixieren. Er wagte kaum zu atmen.
    Eine lange Zeit musterten sie sich
gegenseitig. Dann konnte Caravan der Versuchung nicht widerstehen und streckte vorsichtig
die Hand aus. Das Tier wich im selben Tempo zurück, so dass der Abstand
zwischen ihnen gewahrt blieb. Leuchtende Farbmuster begannen, über seine Flügel
zu pulsieren. Caravan nahm entschuldigend die Finger zurück, doch die Farbpulse
verstärkten sich weiter und verwandelten jede Bewegung des Wesens in ein
Feuerwerk. Sein Körper schien sich dabei zu vergrößern und wieder
zusammenzuziehen. Es entfaltete sich ihm entgegen wie eine seltsame Blume, eine
lautlose Explosion aus Gold und Rubin.
    Caravan versuchte zu erkennen, ob
es sich bei dem Effekt um eine optische Täuschung handelte. Veränderte das Tier
tatsächlich seine Größe? Als er genauer hinsah, entdeckte er als Gegenstück des
Halses plötzlich einen Schwanz am anderen Ende der Mittelachse. Caravan war
verwirrt. Er hätte schwören können, dass es dieses Körperteil vor zwei Minuten noch
nicht gegeben hatte.
    Vorsichtig setzte er sich in
Bewegung und versuchte, um das Wesen herum zu schwimmen. Es kostete Caravan einige
Selbstbeherrschung, nicht schneller mit den Flossen zu schlagen. Dennoch hatte
er das Tier erneut verärgert, und die Reaktion war verblüffend. Die Formen
lösten sich vor seinen Augen auf. Es war, als ob das Geschöpf sich von den
Rändern her verflüchtigte, als ob das Nichts in Etappen seinen Körper
auslöschte. Zuerst war noch ein Eindruck von Bewegung zu erkennen, doch gleich
darauf waren seine Farben so perfekt mit der Korallenlandschaft des Hintergrundes
verschmolzen, dass Caravan nicht einmal annähernd erraten konnte, wo sich das
Wesen aufhielt.
    Er starrte eine Weile verblüfft
auf den Fleck, an dem sich eben noch ein pulsierender Feuerball befunden hatte.
Nun glaubte er auch zu wissen, wie die zusätzlichen Körperteile so plötzlich
entstanden waren: Ihre anfängliche Tarnung war aufgehoben worden, und schon
wurden sie sichtbar. Caravan hoffte, dass sich das Tier freiwillig wieder
zeigen würde, wenn er sich harmlos genug benahm. Er faltete die Hände hinter
dem Rücken und wartete. Eine ganze Weile trieb er reglos im Wasser, dann
plötzlich spürte er einen Druck wie von Fingerkuppen über seinen Körper
gleiten.
    Suchend wanderten unsichtbare
Tentakel seinen Anzug entlang. Anscheinend hatte sich das Tier noch ein paar
Schwanzspitzen dazuwachsen lassen. Das Gefühl machte Caravan nervös, aber bald
entspannte er sich. Es fühlte sich an wie eine Ganzkörpermassage. Langsam und
gründlich kneteten die neugierigen Tentakel über seinen Rücken, seine
Fußsohlen, seine Schenkel ... Jetzt pochte etwas an das Kunststoffvisier vor
seinem Gesicht, und er überlegte, ob er dem Spiel lieber ein Ende bereiten
sollte. Er wusste nicht, wie haltbar seine Ausrüstung war.
    Caravan ließ etwas Luft in seinen
Anzug strömen und driftete langsam nach oben. Er sah die Korallensäulen an sich
vorüber gleiten, die kleineren hatte er schon hinter sich gelassen. Sein
Tiefenmesser zeigte
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