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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition)
Autoren: Philippe Djian
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»Halt! Wartet einen Moment!«
    Im Gegenlicht sah er ein Boot mit flachem Boden, das umgekehrt auf dem Dach von Anaïs’ Subaru thronte. Sehr beeindruckend. Richard zog Gummistiefel an, um sich die Sache aus der Nähe anzusehen.
    »Ja, ich habe auch gesehen, daß der Wasserspiegel gefallen ist«, räumte er ein, »aber das beunruhigt mich trotzdem etwas…«
    Er wollte nähere Einzelheiten über die Entfernung, das Ziel und die Dauer ihres Ausflugs erfahren und ihnen ein Versprechen hinsichtlich ihrer Sicherheit abnehmen. Ihn selbst bedrücke all dieses Wasser und…
    »Hör zu, gib’s auf«, knurrte Evy, ohne seinen Vater anzublicken.
    Richard straffte den Oberkörper und ließ sie wegfahren. Es waren die ersten Worte, die sein Sohn seit einem Monat an ihn richtete, seit er wieder nach Hause zurückgekehrt war – und Laure hatte ihm bei zwei Gelegenheiten einen Geschlechtsverkehr ohne große Leidenschaft gewährt, so stand es mit ihm –, aber er erkannte durchaus die eindeutige Verbesserung, die in diesen etwas schroffen Worten zum Ausdruck kam.
    Laure gratulierte ihm lebhaft zu diesem Fortschritt. Er müsse so weitermachen. Er nickte. Der Tag verspreche jedoch derart ausgefüllt zu sein, daß sie nicht viel Zeit habe, um mit ihm zu diskutieren. Und daher stand sie genau in dem Augenblick aus dem Bett auf, als er sich dort hinsetzte, und ging ins Badezimmer.
    Er hatte nachgedacht. Er erklärte ihr, daß er über diese Zurschaustellung nachgedacht habe und wieder seinen ursprünglichen Standpunkt einnehme, nachdem er gründlich über diese Zurschaustellung, mit der er nicht einverstanden sei, nachgedacht habe.
    »Also, wenn ich dich richtig verstehe, gefällt dir die Sache nicht«, sagte sie.
    »Ich kann Mender erklären, daß die Leute keine Affen sind.«
    »Aber mit welchem Recht solltest du das tun? Glaubst du vielleicht, du hättest mich anders behandelt? Glaubst du, ich könnte mich noch der Gefahr aussetzen, lächerlich zu erscheinen, nachdem ich seit zwanzig Jahren deine Frau bin?«
    Er stand auf, denn darauf fand er keine Antwort.
    Er trat in die Pedalen wie ein Wahnsinniger, hob Gewichte, zog eine Stunde lang an elastischen Schnüren. Dann tauchten ein paar Typen auf und begannen die Möbel im Wohnzimmer zur Seite zu schieben, Teppiche aufzurollen, Kisten mit Geschirr, Tischwäsche, Girlanden und Gerätschaften aufzustapeln, Stühle aufeinanderzustellen, und dann ging’s los.
    Laure schickte ihn in die Stadt, um Kleider aus der Reinigung zu holen, und dort stieß er durch Zufall auf Dr.   String, der seinen Smoking abholte und sich nach Evy erkundigte, fragte, wie es dem Jungen gehe.
    »Er ist frisch und munter«, erwiderte Richard.
    Sie warteten auf dem Bürgersteig, bis sie an die Reihe kamen, denn aus einem rätselhaften Grund schien die Kontrollzentrale für Kreditkarten einen Ausfall zu haben, was an der Kasse zu einer langen Schlange führte.
    Dr.   String kniff die Augen in der Sonne zusammen.
    »Ich habe oft an Evy gedacht«, sagte er. »Würden Sie ihm das bitte mitteilen?«
    Richard nickte. Das offenkundige Mitgefühl, das Dr.   String für die Jugendlichen, für ihre schweren Lebensbedingungen, für die Wunden, die man ihnen zufügte, und für alles, was sie über sich ergehen lassen mußten, empfand, war der Grund dafür, daß sich die Eltern in seiner Gegenwart nie ganz wohl fühlten – und daß er im Verwaltungsrat von Brillantmont saß, fanden sie noch weniger witzig.
    »Man hat mir von der Zuneigung erzählt, die er zu diesem Mädchen hatte. Ich glaube, das war nicht ganz ohne. Sagen sie ihm doch bitte, daß ich an ihn gedacht habe. Und wenn ich ihm in irgendeiner Weise behilflich sein kann, wenn Sie selbst meinen, daß ich etwas für ihn tun kann, ist er jederzeit bei mir willkommen. Er weiß ja, wo er mich findet.«
    »Glauben Sie, daß Sie imstande sind, ihm eine neue Geliebte zu besorgen?« fragte Richard mit einem leicht verzerrten Lächeln.
    »Nein, leider nicht«, gab der Mann zu.
    »Auf jeden Fall muß es eine sein, die nicht vögelt.«
    Nach diesen Worten biß er sich auf die Lippen. Was war bloß in ihn gefahren? Er senkte den Kopf und bat Dr.   String, er möge ihm diese blöden Worte, die er gerade gesagt hatte, nicht übelnehmen.
    Sie gingen ein paar Schritte weiter in der kühlen Luft, während ein Typ mit einem Hund – einem prächtigen Hund mit blauen Augen – in der strahlenden Sonne den gegenüberliegenden Bürgersteig entlangrannte.
    »Entweder sie kriegen die
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