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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition)
Autoren: Philippe Djian
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der Reise?«
    »André, ich bitte Sie. Ich bitte Sie! « stöhnte Laure.
    »Papa, so eine Scheiße, ich rate dir, dich da rauszuhalten, okay? Kapiert? «
    »Richard, ich bitte dich. Oh, ich bitte dich !« stöhnte Laure.
    Die beiden Männer wechselten kurz einen finsteren Blick und beschlossen, stumm ihren Ärger herunterzuschlucken.
    André beugte sich vor und stützte den Kopf in die Hände. Richard streichelte mechanisch die Schulter seiner Frau, wobei sie zitterte.
    »Da hat sich wohl jemand erkältet«, sagte er.
    Mühsam richtete sich André auf und erklärte, er werde Orangen pressen. Er schaltete im Vorübergehen mit der Fußspitze ein paar Halogenlampen ein, so daß sich im Wohnzimmer etwas Wärme ausbreitete. Dann setzte er die Orangenpresse in Gang und machte sich ans Werk, aber eine schwere Last war ihm vom Herzen gefallen, dachte er, eine schwere Last – obwohl das Problem mit Evy noch nicht geregelt war, aber diese Sache würde er sich garantiert nicht allein aufhalsen.
    »Nein, nein, ich weiß nicht, wo er ist«, erklärte er, während er die Vitamin-C-Rationen austeilte. »Und du tust gut daran, mit mir darüber zu sprechen, denn ich glaube, wir sollten uns Gedanken darüber machen, wenn ich dir einen Rat geben darf.«
    Laure geriet sogleich in Panik: »Wovon redet…«, stammelte sie. »Wovon redet ihr eigentlich?«
    Drei Minuten später stieß Laure, die schon seit langem kaum noch Kraftreserven besaß, ein düsteres Stöhnen aus und rannte zu ihrem Auto, wobei sie ein Schluchzen unterdrückte. Richard holte sie mühelos ein und packte sie an den Handgelenken.
    »Hör zu. Hör zu. Das ist eine idiotische Idee. Beruhig dich.«
    »Was ist los?« rief André, der im Eingang auftauchte. »Man darf wohl gar nichts mehr sagen, hm? Und habe ich im übrigen vom See gesprochen? Ich habe nie vom See gesprochen.«
    »Okay, André, okay. Jetzt halt aber die Klappe. Und behalte deine…«
    Richard beendete den Satz nicht. Diesmal blieb er wie angewurzelt stehen, als hätte er einen Schlag in den Magen erhalten. Das Gesicht, von einem hellen Blitz erleuchtet, nach Westen gewandt. Er ließ Laure los, die rückwärts ins Gebüsch stürzte, während er einen Schritt zurücktrat, um das, was er vor sich sah, besser in Augenschein nehmen zu können. Es handelte sich um ein neues Gebilde, das vom Himmel gefallen war. Eine Struktur aus Glas und Metall, die nicht dagewesen war, als er sich aus dem Staub gemacht hatte, und die jetzt da war und den Eindruck machte, fest angedockt zu sein.
    Er steckte die Fäuste in die Taschen. Betrachtete das Bauwerk. Dann straffte er den Körper und rief wütend: »Was für ein lächerliches Ding, was für ein erbärmliches Ding! Und all das nur, um mich zu nerven, hm?«
    »Du hast mal wieder voll ins Schwarze getroffen, Richard. Scharfsinnig wie immer!«
    »Bald hast du es geschafft. Bald hast du es geschafft, dieses Haus in ein Monument der Abscheulichkeit zu verwandeln. Du bist stolz auf dich, nehme ich an?«
    »Wie kommst du nur auf so was, wie kommst du nur auf so was ? Hast du vielleicht Lust, mit fünfzig zu sterben? Nein? Dann treib Sport! Ich erwarte keinen Dank von dir. Ich weiß, daß du mich haßt.«
    »Was? Was? «
    »Ich sollte dir einen Spiegel bringen. Damit du siehst, was für ein dummes Gesicht du machst.«
    Laure begann zu jammern. Sie hatte sich in den Büschen regelrecht verfangen.
    Die beiden befreiten sie. André nutzte die Gelegenheit, um ihr zu sagen, daß er nie auf den Gedanken gekommen wäre, Evys Verhalten mit einer verhängnisvollen Geste in Verbindung zu bringen und erst recht nicht mit dem Ertrinken, wo der Junge doch schwamm wie ein Hecht.
    Er begleitete seine Behauptung mit einem nachdrücklichen Augenzwinkern in Richards Richtung.
    Sie stützten sie auf beiden Seiten – Laure hatte nicht nur eine Reihe von Kratzern abbekommen, sondern sich außerdem noch den Knöchel verstaucht und hüpfte auf einem Bein – und brachten sie ins Haus.
    Richard blieb unten vor der Treppe stehen.
    »Wie wär’s, wenn du dich ein bißchen hinlegst? Du hältst dich ja nicht mehr auf den Beinen.«
    Es war, als hätte er einen Anlasser betätigt.
    » Versuch bloß nicht, mich loszuwerden! « schrie sie sofort. » Schick mich nicht ins Bett, nur weil ich eine Frau bin! «
    »Laure, hören Sie, seien Sie doch vernünftig.«
    »Oh, Sie, halten Sie den Mund!«
    »Aber Laure, ich versuche doch nicht, dich loszuwerden. Wie kommst du denn darauf!«
    »Glaubst du vielleicht, ich
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