Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Früchte der Unsterblichkeit

Die Früchte der Unsterblichkeit

Titel: Die Früchte der Unsterblichkeit
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
nicht.«
    Ein markerschütterndes Brüllen ließ das Haus erbeben. Cerberus hatte uns gefunden.
    »Er ist gekommen, mich zu holen«, sagte Alex lächelnd. »Es ist Zeit zu gehen. Nimm das Armband. Es wird dich durchs Wehr lassen, damit du die Äpfel pflücken kannst.«
    Raphael zog den schlichten Metallreif vom rechten Handgelenk der Leiche und legte es selbst an. Das Armband reichte ihm gerade zwei Drittel herum. »Gehst du wirklich zu Hades?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Alex. »Doch meine Macht schwindet. Mein Körper ist tot, Raphael. Ich kann nicht länger hier verweilen. Die Erde gehört den Lebenden, nicht den Toten. Trauer nicht um mich. Ich habe mein Leben in vollen Zügen genossen. Es war ein großes Glück, vielleicht sogar ein Segen. Ich wünschte nur, ich hätte noch ein paar Tage leben können, um die Äpfel selbst zu zerstören, statt dir diese Bürde aufzuerlegen. Das und die Tränen deiner Mutter, mehr habe ich nicht zu bedauern.«
    Tante B stand auf, nahm den Leichnam und schritt nach draußen. Wir folgten ihr. Sie trat hinaus auf den Rasen. Sie sagten einander noch ein paar Worte, zu leise für uns, sie zu verstehen, und dann senkte sie ihn behutsam ins Gras ab und trat zurück.
    In den Bäumen raschelte es. Eine riesige Gestalt drängte sich zwischen den Stämmen hervor und trat ins Freie, die drei Köpfe dicht am Boden. Der mittlere Kopf erschnüffelte Alex’ Leiche und klemmte sie sich zwischen die riesigen Fangzähne.
    »Kümmere dich um deine Mutter, Raphael«, rief eine Geisterstimme.
    Der Leichnam ging in Flammen auf. Der Hund heulte und verschwand.
    In Raphaels Augen fing sich das Mondlicht. »Kommst du mit?«
    »Wer sollte denn sonst deinen haarigen Hintern beschützen?«
    »Ich komme auch mit«, sagte Tante B.
    Raphael schüttelte den Kopf. »Wir regeln das schon.«
    Ihre Augen glommen rot auf, ein Vorbote ihres Alpha-Blicks.
    »Er wollte nicht, dass du da hineingezogen wirst«, sagte Raphael. »Er hat mich und nicht dich gefragt. Der Clan braucht dich.«
    Ich nickte zustimmend. »Wir haben das im Griff.«
    Wir kehrten ihr den Rücken zu und marschierten zum Wagen. »Haben wir uns wirklich gerade deiner Mutter widersetzt, die zufälligerweise auch das Alphaweibchen ist?«, murmelte ich.
    »Das haben wir.«
    Ich blickte über die Schulter und sah, dass Tante B immer noch fassungslos dastand. »Lass uns mal einen Zahn zulegen, bevor sie es merkt.«
    Die Magie war in vollem Schwange und Boom Baby vollkommen nutzlos. Ich holte Armbrust und Bolzen aus dem Jeep und folgte Raphael in den Wald. In seiner Kampfform begann er mit solch unmenschlicher Geschwindigkeit zu laufen, dass ich nur mit Mühe mithalten konnte.
    Nach einem Kilometer blieb Raphael stehen. »Die Magie herrscht«, sagte er sanft.
    »Und?«
    »In dieser Gestalt bist du viel langsamer.«
    Immerhin war ich so schnell gerannt, wie ich konnte. Wenn wir beide in Menschengestalt waren, war ich die bessere Läuferin, doch in seiner Zwischengestalt schlug er mich.
    »Du kannst nicht mithalten.«
    Mir wurde plötzlich klar, worauf er hinauswollte. »Nein.«
    »Andrea …«
    »Nein!«
    »Die Zeit drängt«, sagte er. »Ein kleiner Junge ist dort draußen mit mindestens zwei Vampiren. Wir wissen nicht einmal, ob er noch am Leben ist.«
    Mein Herz hämmerte wie wild. »Du verstehst es nicht. Ich verliere die Kontrolle, wenn ich sie bin.«
    »Bitte, Andrea«, sagte er. »Uns rennt die Zeit davon.«
    Ich schloss die Augen. Er hatte ja recht. Wir mussten den Jungen retten und die Äpfel vor Lynn in Sicherheit bringen. Ich musste …
    Ich zog mich aus und streckte meine Gedanken nach dem Tier in mir aus. Lächelnd kam sie herausgesprungen, durchströmte meine Arme, meine Beine, meinen Rücken, verlieh mir ihre Kraft. Meine Knochen streckten sich, meine Muskeln schwollen an. Ich kam mir entblößt und nackt vor.
    Die Gestaltwandler konnten sich zwischen Mensch, Zwischengestalt und Tier entscheiden. Mir hingegen standen nur zwei Möglichkeiten offen: mein menschliches Ich und mein geheimes Ich.
    Mit rot glühenden Augen lief Raphael los.
    Ich fischte nach meiner Armbrust, ließ sie aber sogleich wieder fallen. Meine Krallen waren viel zu lang. Krallen und Zähne würden als Waffen reichen müssen. Ich schnappte mir das kleine grüne Auto und verbarg es in meiner Tatze.
    Raphael war nur noch ein Schatten in der Dunkelheit. Das Laufen fühlte sich an wie Fliegen, leicht und mühelos. Freudig arbeiteten meine Muskeln und bald schon hatte ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher