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Die Früchte der Unsterblichkeit

Die Früchte der Unsterblichkeit

Titel: Die Früchte der Unsterblichkeit
Autoren: Ilona Andrews
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Raphael eingeholt. Gemeinsam preschten wir durchs Unterholz, zwei humanoide Albtraumwesen, deren Stimmen nur ein Flüstern im Wind waren.
    »Ich sehe dich gar nicht.«
    »Du sollst mich auch gar nicht sehen.« Ich wählte meinen Weg mit Absicht so, dass er nur hier und da mal einen Blick auf mich erhaschen konnte.
    »Versteck dich nicht vor mir«, bat er.
    Ich ignorierte ihn.
    Auf einmal kam er durchs Unterholz gesprungen und ich hatte keine Möglichkeit mehr, mich zu verbergen. Er sah alles von mir: meine Arme und Beine, mein Gesicht, das weder ganz Hyäne noch ganz Mensch war, meine Brüste …
    »Du bist so schön«, flüsterte er, als er an mir vorbeipreschte.
    »Du bist ja krank«, entgegnete ich.
    »Bei dir sind Mensch und Tier auf geradezu perfekte Weise vereint. Du bist wohlproportioniert, elegant und stark. Nach genau so einer Bestienform streben wir alle. Wieso soll das krank sein?«
    »Ich bin ein Mensch!«
    »Ich doch auch. Du brauchst dich nicht vor mir zu verstecken, Andrea. Für mich bist du wunderschön.«
    Niemand, weder Mensch noch Gestaltwandler, ja nicht einmal meine eigene Mutter, hatten mir jemals gesagt, dass ich in meiner Bestienform schön sei. Die Frau in mir verbarg ihr Gesicht in den Händen und weinte.
    Die Kilometer flogen nur so vorbei. Wir passierten ein Haus, das nur als Schemen erkennbar war. Die Bäume teilten sich, das Unterholz wurde spärlicher und wir hatten eine Lichtung erreicht. Ein goldenes Wehr glomm vor uns auf, eine schimmernde Wand versperrte den Weg.
    Im Inneren des Wehrs kauerte ein dunkelhaariger Junge reglos am Boden, die Arme um die Knie geschlungen. Hinter ihm im Gras lag ein toter Vampir mit zerschmettertem Schädel. Links davon vollführte eine Schlange ihre letzten Zuckungen. Sie war ungewöhnlich groß und hatte sich um den Hals eines zweiten Vampirs geschlungen. Auch er war tot. Zerquetschte Halswirbelsäule. Die Schlange troff von seinem Blut, und sobald sie fester zudrückte, umspülte eine neuerliche rote Flut ihre Schuppen.
    Weiße, in Stein gehauene Säulen bildeten einen Kreis um einen jungen Apfelbaum. Vier gelbe Äpfel hingen an seinen Zweigen. Der fünfte Apfel jedoch lag angebissen im Gras neben der Hand einer dunkelhaarigen Frau. Sie war zusammengebrochen. Ihr grässlich aufgetriebener Unterleib hatte längst die maßgeschneiderte Hose gesprengt.
    Oh, nein. Sie hatte schon davon gegessen. Wir kamen zu spät.
    »Nun sieh sich einer an, was du gemacht hast.« Ein Mann kam auf uns zu, die Augen auf Spinnen-Lynn geheftet. »Hab ich dir nicht gesagt, du sollst die Äpfel in Ruhe lassen?«
    Raphael bleckte die Zähne und seine Nackenhaare stellten sich auf.
    Der Mann war hochgewachsen und breitschultrig. Dunkle Bartstoppeln sprenkelten sein Gesicht. Er trug ein weißes T-Shirt, alte Jeans und gelbe Arbeitsstiefel. Um die klobigen Schultern spannte ein Flanellhemd. Er sah aus wie ein Kerl vom Land, der nach einer Veranda mit Schaukelstuhl und Eistee Ausschau hielt. Zu uns gewandt sagte er: »Hallo.«
    Irgendwie kam mir das alles unwirklich vor. »Wer sind Sie?«, fragte ich.
    »Ich bin Teddy Jo.«
    »Sie waren es, der mich wegen Raphael und Cerberus angerufen hat?«
    »Kate habe ich angerufen«, sagte er. »Aber du bist rangegangen. Hast du das Armband?«
    »Wie bitte?«
    »Das Armband von Doulos. Hast du das?« Er entdeckte den Reif an Raphaels Arm. »Na, denn is ja ma gut. Also sind wir im Geschäft.«
    Lynn krümmte sich im Gras und begann zu weinen. »Was geschieht mit mir?«
    Teddy Jo warf ihr einen Blick zu. »Du hast selbst Schuld.«
    Raphael stürzte sich auf ihn. Seine klauenbewehrten Finger schlossen sich um Teddy Jos Kehle. Der Metallreif um seinen Unterarm funkelte. »Was haben Sie hier zu suchen?«
    »Also, das solltest du noch mal überdenken«, sagte Teddy Jo und hob seinen Arm. Dabei rutschte der Hemdsärmel nach unten und entblößte ein ebensolches Armband, nur aus Gold. »Da wir auf der gleichen Seite stehen.«
    Magie lähmte meine Sinne. Teddy Jos Augen verfärbten sich pechschwarz. Das Flanellhemd riss am Rücken auf und im Dunkel der Nacht brachen zwei gigantische, schwarze Flügel daraus hervor. Feuer breitete sich von seinem Armband bis hinunter zu seiner Hand aus und formierte sich zu einem Flammenschwert.
    »Thanatos«, quiekte Lynn.
    Der Todesengel packte Raphaels Handgelenk und quetschte es. Raphael fletschte die Zähne und drückte ihm die Luft ab.
    In Lynns Unterleib schien sich etwas zu winden. Sie schrie wie am Spieß.
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