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Die Früchte der Unsterblichkeit

Die Früchte der Unsterblichkeit

Titel: Die Früchte der Unsterblichkeit
Autoren: Ilona Andrews
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»Bist du bereit, Danton?«
    »Ja, Meister«, stieß der Rothaarige hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Na schön. Fahr fort.«
    Der Vampir begann zu zucken, als stünde er unter Strom.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte Ghastek. »Denk daran: Keine Angst.«
    Schleppend trat der Blutsauger zwei Schritte zurück. Die Gier in seinen rubinroten Augen ebbte ein wenig ab. Die Spannung auf der Kette ließ nach und sie schlug klirrend auf den Boden.
    »Gut«, sagte Ghastek. »Maria, du kannst jetzt die Tür öffnen.«
    Eine Gesellin mit langem, dunklem Haar drückte einen Knopf. Die Zellentür wurde langsam hochgefahren. Der Vampir regte sich nicht.
    »Löse das Halsband«, befahl Ghastek.
    Das Halsband schnappte auf.
    »Lass ihn vortreten.«
    Der Vampir machte einen zögerlichen Schritt vorwärts. Noch einen …
    In seinen Augen flammte die Blutgier auf. Danton schrie. Mit glühenden Augen und aufgeklapptem Kiefer stürmte der Vampir auf uns los. Gewaltige Klauen schrammten übers Podium.
    Keine Kanone.
    Ich zückte mein Kampfmesser und stürzte los, doch Raphael kam mir zuvor. In einem präzisen Bogen schwang er sein Messer und hielt dann mitten in der Bewegung inne.
    Der Vampir erstarrte. Er stand einfach da, wie eingefroren, einen klauenbewehrten Fuß auf dem Boden, während der Rest seiner Glieder in der Luft schwebte. Raphael hatte die Klinge kurz vor seiner Kehle abgebremst.
    »Sie haben ausgezeichnete Reflexe«, sagte Ghastek. »Gestaltwandler?«
    Raphael nickte bloß.
    »Ich bitte Sie aufrichtig um Entschuldigung«, sagte Ghastek. »Im Moment lenke ich ihn, also wird er uns keine Scherereien mehr machen.«
    Der Vampir machte einen Satz zurück und landete zu Ghasteks Füßen. Er legte sich flach auf den Boden, presste die Stirn auf die Steinplatten. Ghasteks Gesicht war keinerlei Anspannung anzumerken. Überhaupt keine.
    Raphael trat beiseite und ließ das Messer zurück in die Scheide an seiner Hüfte gleiten.
    Auf dem Podium war Danton zusammengebrochen. Er stöhnte leise und aus seinem Mund quoll weißer Schaum.
    Aus einem der Seitengänge erschienen Sanitäter mit einer Trage, luden den Gesellen darauf und schnallten ihn fest.
    Die beiden verbliebenen Gesellen starrten Danton schweigend und mit vor Entsetzen geweiteten Augen an.
    »Ihr dürft jetzt gehen«, sagte Ghastek.
    Sie nahmen Reißaus.
    »Wirklich schade«, murmelte Ghastek leise.
    »Was ist mit ihm geschehen?«, fragte ich.
    »Angst. Korrekt ausgeführt ist die Berührung mit dem Geist eines Untoten, wenngleich für viele abstoßend, vollkommen harmlos.«
    Der Vampir rappelte sich auf und stellte sich aufrecht hin. Im Leben war er einst groß gewesen, doch nun hatte sich sein Körper auf die Fortbewegung auf allen vieren umgestellt. Dennoch stand er kerzengerade. Wahrscheinlich kostete ihn das große Mühe, aber er sah Ghastek unverwandt ins Gesicht. Der Herr der Toten fixierte die beiden glühend roten Punkte. »Zeigt man hingegen Angst, kann das, wie Sie gerade gesehen haben, katastrophale Folgen haben.«
    Der Vampir ließ sich auf alle viere fallen. »Vielleicht führen wir diese Unterredung lieber in meinem Büro fort.« Ghastek schenkte uns ein ausdrucksloses Lächeln. »Bitte.«
    Ich ging neben ihm her, Raphael war zu meiner Rechten, der Vampir zu Ghasteks Linken. »Das Lenken eines Vampirs lässt sich mit Wellenreiten vergleichen: Man muss oben bleiben, ansonsten schlägt die Welle über einen hinweg und zieht einen in die Tiefe. Danton hat sich leider ertränken lassen. Mit ein wenig Glück wird er seine kognitiven Fähigkeiten so weit zurückerlangen, dass er alleine essen und auf die Toilette gehen kann. Wenn er Pech hat, dann verbringt er den Rest seines Lebens in geistiger Umnachtung. Haben Sie Lust auf einen Espresso?«
    Der Vampir rannte voraus.
    »Nein, herzlichen Dank. Beim Anblick eines Menschen, dem Schaum vorm Mund steht, vergehen mir in der Regel Hunger und Durst.« Mir machte die Sache mit Danton zu schaffen, dabei wusste ich, dass die Verträge des Volkes und alles, was gerade geschehen war, keine Rechtsverletzung darstellte. Die Gesellen traten ihr Leben ab, wenn sie mit dem Volk ihren Vertrag schlossen.
    »Ich bitte Sie abermals um Entschuldigung. Natürlich hätte ich die Prüfung verschieben können, aber Danton hat sich schon zweimal davor gedrückt, und das, nachdem er auch noch dreist geprahlt hat, wie gut er darin abschneiden würde. Ich dulde kein haltloses, selbstgefälliges Sich-zur-Schau-Stellen. Die Prüfung
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