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Die Früchte der Unsterblichkeit

Die Früchte der Unsterblichkeit

Titel: Die Früchte der Unsterblichkeit
Autoren: Ilona Andrews
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grinste breit.
    »Ich frage besser nicht, ob dir das schon mal passiert ist.« Ich ließ den Motor an. »Ist es dir schon mal passiert?«
    »Ja.«
    Igitt
. »Wo?«
    »Im Haus der Bouda.«
    Igittigitt!
    »Ich war total müde, und du kennst den Laden ja, da riecht es überall nach Sex …«
    »Ich will das gar nicht wissen.« Ich fuhr vom Parkplatz.
    »Wohin geht’s denn jetzt?«
    »Zu Spinnen-Lynn. Wir wühlen ein wenig durch ihren Abfall, und wenn das nichts bringt, brechen wir ein.«
    Raphael runzelte die Stirn. »Weißt du denn überhaupt, wo sie wohnt?«
    »Ja. Ich habe alle Adressen der Herren der Toten auswendig gelernt. Ich habe ziemlich viel Zeit, weißt du.«
    Mit zusammengekniffenen Augen schaute er mich an und sah dabei ganz genau so aus wie einer der Gentleman-Piraten aus meinen geliebten Liebesromanen. »Was hast du sonst noch so in deinem Kopf gespeichert?«
    »So dies und das. Ich erinnere mich zum Beispiel noch, was du als Erstes zu mir gesagt hast. Damals, als du mich vom Wagen ins Bad getragen hast, damit deine Mutter mich wieder zusammenflicken konnte.«
    »Bestimmt war es irgendetwas Romantisches«, sagte er. »Im Sinne von ›Bei mir bist du sicher‹ oder ›Ich lass dich nicht sterben.‹
    »Ich habe eure Badewanne vollgeblutet, war außer mir vor Schmerzen. Und da hast du gesagt: ›Mach dir keine Sorgen wegen des Bluts, wir haben eine ausgezeichnete Filteranlage.‹«
    Der Ausdruck auf seinem Gesicht war zum Totlachen.
    »Das kann nicht das Erste gewesen sein.«
    »War es aber.«
    Schweigend fuhren wir durch die Stadt. »Um noch mal auf das Gleitmittel zurückzukommen …«, sagte Raphael.
    »Ich will das nicht hören!«
    »Als ich es mir aus dem Haar gewaschen hatte …«
    »Warum tust du das, Raphael?«
    »Damit du noch mal ›Igitt‹ sagst.«
    »Kapier ich nicht.«
    »Das ist ein männlicher Reflex. Ich muss das einfach tun. Wo war ich gleich? Also, als ich es ausgewaschen hatte …«
    »Raphael!«
    »Nein, warte, jetzt wird es lustig.«
    Als wir endlich bei Spinnen-Lynn ankamen, lagen meine Nerven blank.
    Lynns Bungalow befand sich auf einem großen Grundstück, verborgen hinter einem fast zwei Meter hohen Holzzaun. Ich öffnete ihre Mülltonne. Ein fauliger Dunst schlug mir entgegen. Die Tonne war zwar schmutzig, aber leer.
    Raphael inspizierte den Zaun, nahm Anlauf und flog wie ein Turner am Sprungtisch mit einem Salto darüber hinweg. Mir lag eher die altmodische Art: Ich lief auf den Zaun los, sprang, zog mich an der Kante hoch und stemmte mich hinüber auf die andere Seite. Raphael holte ein paar Dietriche hervor und stocherte damit im Schloss herum. Die Tür schnappte auf und wir betraten eine leere, dunkle Garage. Ich musste ein paarmal blinzeln, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und meine Nachtsicht einsetzte. Bei manchen Leuten erinnerte die Garage an einen Flohmarkt, auf dem eine Bombe hochgegangen war. Lynns Garage hingegen war gewissenhaft aufgeräumt. Werkzeuge und Gartengeräte hingen fein säuberlich an ihren Haken. Der Boden war gefegt. Wenn ich eine Garage hätte, würde sie ganz genauso aussehen.
    Wie erwartet war die Tür, die von der Garage ins Haus führte, verschlossen, aber Raphael hatte sie in zehn Sekunden geknackt. Innen erwartete uns eine Küche der gehobenen Klasse, brandneu und mit Küchengeräten aus Edelstahl. Die Spüle war wie geleckt. Auch aus dem Küchenabfallzerkleinerer drang kein Fäulnisgeruch.
    Die Geruchsspuren waren alt. Lynn war schon seit mindestens zwei Tagen nicht mehr zu Hause gewesen.
    »Interessant«, sagte Raphael.
    Ich stellte mich neben ihn.
    In der Wohnzimmerwand direkt unter einem abstrakten Gemälde befand sich eine riesige Delle. Ringsum war ein großer Fleck auszumachen. Auf dem Boden darunter lagen Scherben, die im Licht, das durch die Fenster hineindrang, schwach glitzerten, dazwischen vertrocknete Stiele. Irgendjemand hatte eine Vase gegen die Wand geworfen.
    »Wie groß ist sie?«
    »Vielleicht einen halben Kopf größer als ich.«
    »Dann hat sie es wohl getan. Ich hätte viel höher getroffen.«
    Wir besahen uns den Fleck. »Sie war sauer«, sagte ich.
    »Stinksauer.«
    »Kein Liebhaber.«
    Raphael nickte. »Weiße Blumen.«
    Ich holte tief Luft und sortierte im Geist die verschiedenen Düfte: ein Hauch weißer Lilien, Nelken, der süße Duft von Löwenmäulchen, und eine herbe Note Schleierkraut …
    »Ein Trauergesteck«, sagten wir beide wie aus einem Mund.
    Ich hockte mich hin und fischte durch die
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