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Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)

Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)

Titel: Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
Autoren: Tony Vagner
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fast vollkommen verschwunden.
    „Geht es dir gut?“, fragt sie.
    „Ja“, haucht er noch etwas
benommen. „Und was bin ich dir schuldig?“
    „Ich werde vielleicht auch
einmal deine Dienste in Anspruch nehmen, in welcher Art, das weiß ich noch
nicht. Geld jedenfalls will ich keins. Und jetzt geh nach Hause und schlaf dich
aus. Ich wünsche dir eine gute Nacht! Sei gesegnet!“
    Draußen taumelt der Boris über
die nächtliche Wiese. Er spürt gar nicht, wie sich der Tau an seine Beine legt
und ihn bis zu den Knien völlig durchnässt. Er torkelt einfach geradeaus
weiter, bis er stolpert und nun vollends im taunassen Gras landet. Aber egal.
Er fühlt sich zum ersten Mal seit Jahren wieder frei und ohne Spannungen, so
als hätte er eine Handvoll Valium eingeworfen, nur noch viel freier und
gewichtsloser und frischer. Und auch ein bisschen betrunken fühlt er sich, als
ob die Hagazussa ihm etwas in den Tee gegeben hätte.
    Aber: hat er überhaupt Tee
getrunken?
    Während ihr später Besucher
nach Hause wankt, steht Miriam vor dem kleinen Waschbecken ihres Zigeunerwagens
und macht ihre Abendtoilette. Sie blickt in den Spiegel, betrachtet ihr
Gesicht, das heute ganz zufrieden aussieht.
    Miriam ist nicht wirklich
"schön". Sie hat - zu ihrem großen Vorteil - von jedem Makel
genügend, um nicht so glatt, fade und geschlechtslos zu wirken, wie so manches weibliche
Topmodel, das heutzutage als Schönheitsideal von schwulen Modeprinzen über den
Catwalk geschickt wird. Mit anderen Worten: Sie hat eine starke
weiblich-erotische Ausstrahlung! Möglicherweise etwas zu klein von Wuchs und
die Nase vielleicht eine Spur zu groß, an manchen Stellen einen Deut zu viel
und an anderen ein bisschen zu wenig, mehr Sommersprossen im Gesicht als Sterne
am Himmel, hat sie doch diese aphrodisierende Aura, die Männer - und manchmal
auch Frauen - zu schwindelerregenden Phantasien animiert. Die Art, wie Miriam
ihre eigenwilligen, oft selbstgenähten bunten Kleider trägt oder wie sie ihr
hennarotes Haar im Wind fliegen lässt, ist von einer exotischen
Selbstverständlichkeit, die besonders Frauen anfangs nur schwer begreifen
können. Sieht man Miriam lange und eingehend an, so könnte man an vielen Stellen
ihres Körpers kleinere Mäkel finden. Doch schließt man nur kurz die Augen und
schaut noch einmal hin, ist man aufs Neue eingenommen von ihrer subtilen Anmut.
    Miriam trägt fast immer einen
Duft, den sie sich selbst aus ätherischen Ölen und anderen Substanzen zusammenmischt.
Eine je nach Befinden und Jahreszeit variierende Mixtur aus Zutaten wie
Vanille, Amber, Eichenmoos, Bergamotte, Madagaskarpfeffer, Zibet, Petigrainöl
und einigen geheimen Ingredienzien. Auf dem Duft liegt ein Hagazussazauber. Und
könnte die Nase in Farben sehen, was sie riecht, so wäre der Duft an den
Rändern grün wie eine Frühlingswiese, um in der Mitte und Tiefe leicht ins
Zimtig-Braune zu zergehen, mit winzigen mohnblumenroten und froschgrünen
Einschlüssen. Er ist grasig-pfeffrig, doch nachschwingend auch von einer feinen
Körperlichkeit, punktuell mädchenhaft, ansonsten sanft, ätherisch, vollweiblich
fließend, und ohne jede Penetranz. Das Geheimnis besteht darin, so wenig davon
auf ganz bestimmten Körperstellen, besonders am Handrücken und am Hals,
aufzutragen, dass der Geruch an der Wahrnehmungsschwelle bleibt. So kann er
seine pheromonisch-betörende Wirkung am besten entfalten. Eine Spur mehr
aufgetragen oder an der falschen Körperstelle angebracht - etwa in den
Achselhöhlen - und schon würde aus dem Lockend-Feinem etwas
Abstoßend-Aufdringliches werden. Dieses Geheimnis kennen die meisten Frauen
nicht, denen mehr daran liegt, ihr teures oder modisches Odeur ständig so zu
verströmen, dass es jedermann gleich wie eine olfaktorische Werbefackel von
Dior oder Chanel erkennen muss. (Noch schlimmer bei Männern, die sich ihre,
meistens ohnehin ätzend und billig riechenden Rasierwässer, morgens mit der
Hand zentiliterweise ins Gesicht klatschen.)
    Die Hagazussa als solche kennt
indes das Geheimnis der richtigen Dosis. Nicht nur bei den Düften. Und es gilt
für sie auch nicht der siebengescheite Spruch „Weniger ist mehr“, sondern der
noch viel gescheitere: „Weniger ist (meistens) richtig.“&xnbsp; Denn gerade dieses
„Mehr“, an dem so viele Menschen sich festhalten bei der Gestaltung und
Erfüllung ihrer Strebungen, als wäre es ihr Credo, gerade dieses Mehr von
allem, diese heutzutage oft schon geheiligte Gier,
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