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Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)

Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)

Titel: Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
Autoren: Tony Vagner
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ihre katholischen Schwestern doch alle zum
Teufel scheren. Die wissen ja nicht, was Schmerzen sind! Richtige Schmerzen, die
dich nachts wachliegen lassen, die dich gepeinigt und zornig und entkräftet zu
Gott beten lassen, er möge nur ja diesen Schmerz wieder von dir nehmen. Sie würde
jede Möglichkeit nutzen!
    Und so öffnet sich die Tür zur
Hagazussa und die alte Tröstl taucht wie schlafwandelnd ein in die Welt des
weichen Kerzenlichts und der vielstimmigen Düfte: Koriander, Lavendel,
Schafgarbe, Eisenkraut, Frauenmantel, Mandragorawurzel. Igor und Wotan streifen
schnurrend und mit erhobenem Schwanz um ihre schmerzgekrümmten Beine. Der Duft
von warmem Bienenwachs sickert tröstend in ihr Bewusstsein. Wortlos, fast wie
in Trance, nimmt sie Platz auf einem Stuhl, den ihr die Hagazussa hingeschoben
hat. Ebenso wortlos nimmt die Hagazussa den Kräuterwedel, besprüht die Alte mit
geweihtem Wasser, dann greift sie nach dem Athame, berührt mit der Klinge die
linke Schulter, dann den Kopf, dann die rechte Schulter der Alten. Dabei
murmelt sie ihre Sprüche. Schließlich ein Weihrauchschwall, der alles in
weißgraue, sakral duftende Kumuluswolken einhüllt.
    „Trinken sie das!“
    Frau Tröstl nimmt den Becher in
die Hand und blickt ein paar Sekunden in den rot schimmernden Dekokt, ehe sie
es in einem einzigen großen Zug herunterschluckt. Sie schüttelt sich ab. Ein
grauenhafter Geschmack, bitter, sehr bitter, so bitter, dass es ihren ganzen
Körper und ihren ganzen Geist vollkommen ausfüllt. Bitter wie ihr ganzes
bisheriges Leben. Sie spürt eine elende Übelkeit aufsteigen, es wird ihr
schwindelig, und ganz kurz hat sie das Gefühl, dass sie einer - fast schon
willkommenen - Ohnmacht anheimfallen könnte.
    Miriams Blick indes ist
undeutbar, weder ernst, noch sanft, noch feindselig, noch freundlich. Eher, als
sei sie selbst an einem anderen, weit entfernten Ort, und ihr Körper führe hier
nur ihre Anweisungen aus.
    Endlich steht die alte Tröstl
wieder in der kühlfeuchten Dunkelheit des nächtlichen Waldes und alles ist von
ihr gefallen: Der Schwindel, die Übelkeit, die Bitterkeit, die Schmerzen.
Weiter unten das Licht des Traktors und ihr Schwiegersohn, der Zigaretten
rauchend auf sie wartet. Doch sie will noch eine kleine Weile hier einfach so
stehen bleiben, deshalb zeigt sie sich nicht gleich. Ein paar Minuten lang will
sie einfach nur atmen und nachschwingen lassen, was sie eben noch in diesem
sonderbaren Zigeunerwagen, bei dieser noch viel seltsameren Frau erlebt hat.
Angenehme Wärme, Trost, Geborgenheit, und die seltsame, lange schon nicht mehr
gehegte Ahnung einer Perspektive. Es gibt da noch eine Zukunft! Sie weiß zwar
nicht genau welche, und sie weiß auch, dass sie alt und ein Gutteil ihres
Lebens vorbei ist, allein der Raum in ihrem Inneren dehnt sich trotz aller
Tatsachen mit einem Mal wieder ein schönes Stückchen aus. Und er erwärmt sich.
Ob sie vielleicht wieder einmal zu ihrer Schwester nach Bregenz fahren sollte?
Die Schmerzen, das ahnt sie, werden wieder kommen - wenngleich nicht mehr so
arg -, doch auf einmal ist da noch etwas, ist da sogar noch sehr viel, auf das
sie ihre Blicke lenken kann.
    An diesem Abend bekommt die
Hagazussa noch einmal Besuch. Und es ist das erste Mal, seit sie hier ist, dass
sie, wenngleich auch nur für einen Augenblick, gehörig ins Staunen kommt. An
ihr vorbei schiebt sich, mit der Andeutung eines Victoryzeichens, eine Gestalt
in den Zigeunerwagen, die sie glaubt, schon einmal im Dorf registriert zu
haben. Ein großer, dünner Mann, Mitte vierzig, mit beinah hüftlangem, dunklem,
teilweise schon angegrautem Haar und dunklen, tiefliegenden Augen. Er stellt
sich ihr als Boris vor, während er sich einen der zwei Stühle ergreift und
Platz nimmt, was wohl auch besser so ist, denn Boris ist so groß, dass er im
Wagen den Kopf einziehen muss. Boris´ Outfit entspricht jenem, das Miriam von
ihren Eltern kennt, allerdings von Fotos aus den späten 60ern! Mit andern
Worten, Boris sieht aus wie ein Hippie!
    Miriams Eltern waren richtige
Hippies. In den frühen siebziger Jahren lebten sie mit der kleinen Miriam und
ihrer zwei Jahre älteren Schwester Melissa in einer recht bekannten wiener
Hippekommune, und sie verbrachten allesamt auch zwei Jahre in Bhagwans Aschram
in Poona. In den USA lernten sie Richard G. Wasson, Stan Grof und Timothy Leary
kennen und waren auch einmal bei einer Session des damals sehr kultigen Mediums
Jane Roberts in Elmira dabei. Doch all das
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