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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah
Autoren: Beth Hoffman
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unterhielten wir uns darüber, was wir in der Schule gerade machten, dann legte sie das Essen auf angeschlagene Porzellanteller, und ich stellte im Wohnzimmer Fernsehtabletts auf. Schon bald hatte ich Momma fast vergessen, als wir Abendbrot aßen und über I love Lucy lachten.
    Nachdem wir den Abwasch gemacht hatten, spielten wir Halma, bis es dunkel wurde, und dann begleitete Mrs Odell mich nach Hause. Sie ging hinauf, um nach Momma zu sehen, und kam ein paar Minuten später mit traurigem Gesicht zurück. »Sie schläft tief und fest, Schatz. Vielleicht geht es ihr ja morgen besser.«
    Mrs Odell drückte mich und ging, ihr weißes Haar schimmerte wie ein fransiger Mond in der Dunkelheit. Als ich so am Fenster stand und ihr hinterhersah, dämmerte mir die Wahrheit. Es würde meiner Mutter morgen nicht besser gehen. Morgen nicht, und auch sonst nicht, denn meine Mutter, Camille Sugarbaker Honeycutt, Zwiebelkönigin von Vidalia 1951, war verrückt.
    Ich hauchte einen Fleck auf die Scheibe und presste meine Handfläche dagegen. Die Kälte der Scheibe war seltsam tröstlich. Der Fleck löste sich auf, und ich dachte an Gloria.
    Gloria hatte mal auf der anderen Straßenseite gewohnt. Sie und Momma waren befreundet gewesen und hatten viel Zeit miteinander verbracht, als ich noch ganz klein war. Sie haben sich gegenseitig die Frisuren gemacht, die sie in Zeitschriften gesehen hatten, und manchmal haben sie im Wohnzimmer herumgetanzt, wenn American Bandstand lief.
    Als das mit Mommas Aussetzern anfing, hatte Gloria als Erste versucht, mit meinem Vater zu sprechen.
    Ich weiß noch, wie ich einmal auf dem Rasen neben dem Haus saß und mit meinem Teddy spielte. Auf der anderen Straßenseite sah ich Gloria Einkaufstüten aus dem Auto laden. Ich wollte sie gerade rufen und winken, da kam mein Vater in unsere Auffahrt gefahren. Als Gloria ihn sah, kam sie über die Straße, ihr kurzes schwarzes Haar glänzte in der Sonne.
    »Carl, ich muss mal mit dir reden. Es ist wichtig. Mit Camille stimmt irgendwas nicht«, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich mache mir Sorgen um sie, und ich habe Angst um Cecelia. Komm doch mal zu mir rüber, damit wir in Ruhe darüber sprechen können. Ich würde gern …«
    »Gloria, ich kann mich gut selbst um meine Familie kümmern«, sagte Dad mit einer abweisenden Geste.
    »Ich glaube halt …«
    Aber Dad drehte sich um und ließ sie stehen.
    Ab dem Tag war Gloria eine andere. Sie kam immer seltener zu uns, und dann gar nicht mehr. Sie lächelte zwar und winkte mir zu, wenn sie mich sah, aber sie kam nicht mehr herüber und sprach mit mir, wie früher. Und dann kam eines Tages ein großer grüner Umzugslaster und parkte vor ihrer Einfahrt. Später an dem Nachmittag schlossen Gloria und ihr Mann die Haustür ab und zogen weg. Sie hat sich nicht mal verabschiedet.
    Jahre später saß ich nun hier und dachte darüber nach, wie viel einfacher alles wäre, wenn meine Mutter in einer Heilanstalt eingesperrt wäre. Manchmal wünschte ich mir sogar, sie wäre tot. Es war furchtbar, so was zu denken, aber ich kam nicht dagegen an. Ich wollte ja gar nicht in einem rosaroten Nebel von einem Disney-Erlebnis zum nächsten durchs Leben gleiten – alles, was ich wollte, war ein einziger, ganzer glücklicher Tag.
    Am nächsten Sonntag klingelte morgens das Telefon, und als ich abhob, sagte eine Frauenstimme: »Oh, äh, hallo. Ich würde gerne mit Carl sprechen.«
    Ich erkannte ihre Stimme. Sie hatte schon mehrfach angerufen. »Er ist nicht da. Wer spricht denn bitte?«
    Es entstand eine lange Pause, dann sagte sie: »Ist nicht so wichtig, ich rufe einfach ein andermal wieder an.« Und sie legte schnell auf.
    Später am Nachmittag rief sie wieder an und weigerte sich immer noch, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Keine zehn Minuten später hörte ich Dads Wagen vorfahren. Ich lief zur Hintertür hinaus und sah ihm zu, wie er ein Sixpack Bier und einen kleinen Koffer aus dem Kofferraum holte. Noch bevor er die paar Stufen zum Haus hinaufgegangen war, platzte ich heraus: »Du musst etwas tun. Momma braucht Hilfe. Und ich …«
    »Na komm, CeeCee, geh mal zur Seite«, brummelte er und schob sich an mir vorbei.
    Sein Gesicht war wie zur Faust geballt, und er roch nach Alkohol, Schweiß und drei Tage alter schlechter Laune. Ich wusste, dass dieser Geruch eine große rote Flagge war, die mich davor warnte, ihm zu nahe zu kommen, aber ich folgte ihm trotzdem in die Küche.
    »Momma muss ins Krankenhaus, und
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