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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah
Autoren: Beth Hoffman
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zur Kirche. Die Tür stand sperrangelweit offen, also stieg ich die Stufen hoch und sah hinein.
    Es war fast ganz dunkel. Das einzige Licht fiel durch ein buntes Glasfenster in der hinteren Wand herein. Vor den Reihen polierter Holzbänke stand ein Altar mit einem dunkelroten Tuch, darauf jede Menge brennender Kerzen in kleinen Gläsern.
    So leise ich konnte, ging ich den Gang hinunter. In der vordersten Reihe knieten drei Frauen mit Spitzentüchern auf dem Kopf. Sie ließen lange Perlenschnüre durch ihre Finger gleiten, und eine wippte zu einem Rhythmus, den ich nicht hören konnte, vor und zurück. Ich wusste nicht, was Perlenketten mit Beten zu tun hatten, aber ich nahm an, es handelte sich um einen geheimen Code, speziell für Frauen.
    Ich betrachtete die Szene vor mir mehrere Minuten lang und fragte mich, ob eine Perlenkette meiner Mutter helfen könnte. Auf dem gesamten Heimweg dachte ich darüber nach.
    Als ich zu Hause ankam, sah ich Dads Wagen in der Einfahrt stehen. Ich öffnete die Hintertür und hörte Mommas Stimme donnern. »Nein! Hau ab!«
    »Verdammt, Camille, beruhige dich. Ich muss mit dir reden.«
    Es gab ein wütendes Durcheinander von Worten, das mit dem Klirren von Glas endete. Ich rannte durch die Küche und versteckte mich im Besenschrank. Über mir hörte ich Schritte, und dann dröhnte Dads Stimme durchs Haus: »Camille, du musst damit aufhören. Jetzt setz dich bitte hin und …«
    »Ich hasse dich!«, kreischte Momma.
    Das ganze Haus bebte, als ihre Zimmertür zuschlug, kurz darauf hörte ich Dad die Treppe heruntertrampeln. Ich stand stocksteif im Besenschrank und hielt, als er in die Küche kam, den Atem an. Die Fliegentür knallte zu, und ich machte die Schranktür auf, um aus dem Fenster zu schauen. Ich sah meinen Vater in sein Auto steigen und beschloss, es mal mit diesem Beten zu versuchen.
    Später am Abend, als Momma auf dem Sofa schlief, durchsuchte ich eine Kommode in ihrem Schlafzimmer nach der Perlenkette, die sie in einem rosa Satintäschchen aufbewahrte. Ich zog ein altes Spitzendeckchen unter einer Lampe weg, nahm mir eine Weihnachtskerze aus einer Kiste im Schrank, ging in mein Zimmer und schloss die Tür. Mit einer Haarnadel steckte ich mir das Spitzendeckchen auf dem Kopf fest, zündete die Kerze an und kniete mich ans Fenster. Ich wusste nicht genau, was ich dann tun musste, und so starrte ich in den Himmel und rieb die Perlen zwischen meinen Fingern, bis sie schön warm geworden waren.
    »Hallo. Mein Name ist Cecelia Rose Honeycutt, ich wohne in der Tulipwood Avenue 831. Der Prediger im Radio hat gesagt, wenn wir unser Herz aufmachen und darum bitten, dann werden wir gerettet. Er hat gesagt, so einfach ist das. Also bitte ich dich, kannst du Momma retten? Irgendwas stimmt mit ihrer Seele nicht, und es wird jeden Tag schlimmer. Und wenn du schon dabei bist, kannst du mich auch retten? Mit meiner Seele ist alles in Ordnung, aber ich könnte ein bisschen Hilfe hier unten wirklich gebrauchen. Ich tu auch alles, was du sagst. Amen.«
    Ich betete mehrere Wochen lang und zählte für jedes Gebet eine Perle ab. Täglich wartete ich darauf, dass es Momma besser ging, aber es ging ihr nie besser. Es waren einundsechzig Perlen an der Kette, und wenn nicht bald etwas passierte, dann würde ich keine Gebete mehr übrig haben. Eines Tages fand ich, es wäre wohl Zeit, mich direkt an Gott zu wenden. Aber ich wusste nicht, ob das richtig war. War Gott so wie unser Schulleiter, der immer in seinem Büro war und nur mit Lehrern sprach? Würde Gott es frech finden, wenn ich mich direkt an ihn wandte?
    Ich war nervös, fand dann aber, ich hätte ja nichts zu verlieren, also legte ich los und betete, bis ich zur letzten Perle an der Kette kam. Aber der Sommer ging in den Herbst über, und in meinem Leben änderte sich nichts außer der Farbe der Blätter an den Bäumen. Entweder Gott hatte mich nicht gehört, oder er hatte Wichtigeres im Kopf.
    An einem warmen Oktoberabend saß ich draußen, an einen Ahornbaum gelehnt, und starrte in die Äste über mir. Das Mondlicht schimmerte auf den kupferfarbenen Blättern, wenn sie sich lösten und zu Boden schwebten, und ich dachte über all die Gebete nach, die ich gesprochen hatte.
    Wohin waren sie gegangen? Lagen sie in einem Haufen vor Gottes Haustür, so wie die Blätter, die in Häufchen unter den Bäumen lagen? Würde Gott eines Tages die Tür aufmachen und hintenüberkippen, wenn meine ganzen Gebete zu ihm hereinpurzelten?
    Als ich wieder
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