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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah
Autoren: Beth Hoffman
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Nicht wahr sein konnte. Ich blieb auf der Toilette, bis der Putzmann den Boden wischen kam und mich hinauswarf.
    Kurz darauf fing Momma an, zum Wohltätigkeitsladen zu gehen. Sie kaufte alte Ballkleider und Cocktailkleider, und wenn sie die passend eingefärbten Schuhe dazu fand, dann kaufte sie sie ebenfalls, auch wenn sie drei Nummern zu groß waren.
    Eines Nachmittags lag ich auf dem Bett und las Klein Stuart . Da hörte ich Mommas Schritte auf der Treppe und das Rascheln von Papiertüten – immer ein sicheres Zeichen dafür, dass sie bei einem Ausflug zum Wohltätigkeitsladen auf Gold gestoßen war. Ich hörte sie lachen, ganz schwindelig vor Freude, als sie ihre Neuerwerbung anprobierte. Ein paar Minuten später rief sie mich: »Cecelia Rose, komm mal her, Schatz! Guck mal, was ich gefunden habe!«
    Ich steckte die Nase noch tiefer in mein Buch und tat, als würde ich sie nicht hören, aber Momma rief noch einmal, und als ich nicht antwortete, hörte ich das harte Klicketiklick ihrer Stöckelschuhe im Flur. Sie riss meine Tür auf und rief: »Jetzt guck dir mal deine Momma an! Ist das nicht irre?«
    Sie stand in der Tür, mit glänzenden Augen vom Shoppen. Dann raffte sie den Rock des zerschlissenen alten Ballkleids zusammen, das sie gerade für einen Dollar gekauft hatte, und wirbelte in mein Zimmer wie ein knallbunter, außer Kontrolle geratener Kreisel.
    »Was für ein zauberhaftes Rosa. Steht mir«, sagte sie, und hielt inne, um sich im Spiegel an meiner Kleiderschranktür zu bewundern.
    Ich weiß nicht, was Momma in dem Spiegel sah, dass es sie so entzückte, aber es war sicher nicht das, was ich sah.
    Sie legte die Hände auf die Hüften, schaute über ihre Schulter und wartete darauf, dass ich ihr sagte, sie sehe toll aus. Ich gab mir alle Mühe, mir das abzuringen, was sie hören wollte. »Sieht schön aus, Momma«, flüsterte ich, beschämt genug für uns beide zusammen, dann senkte ich den Blick wieder und las weiter.
    »Sei nicht traurig, CeeCee. Eines Tages gewinnst du auch einen Schönheitswettbewerb, und dann kannst du auch diese ganzen schönen Kleider tragen. Ich hebe sie für dich auf, Schatz, das verspreche ich dir.« Sie lächelte mich an und stolzierte aus meinem Zimmer.
    Ich war froh, dass sie weg war, schoss aus dem Bett und machte die Tür hinter ihr zu.
    Momma trug diese zerschlissenen alten Ballkleider an mehreren Tagen pro Woche. Je öfter sie sie trug, desto berüchtigter wurde sie in der Stadt. Selbst die nettesten Nachbarn konnten nicht anders, als in ihren Vorgärten zu stehen, mit großen Augen und offenem Mund, wenn sie in raschelndem Taft den Gehweg entlangstolzierte. Man konnte es ihnen kaum verübeln. Mit einer Nachbarin wie Momma brauchte man kein Fernsehen mehr.
    In der Schule war ich das dünne Mädchen, dessen Mutter ein Krönchen trug, mit verschmiertem Lippenstift herumlief und verrückt war. Niemand sprach mit mir, außer wenn sie die Lösung einer Aufgabe wissen wollten, und niemand setzte sich beim Mittagessen zu mir – na ja, niemand außer Oscar Wolper, der nach schmutzigen Socken roch und einen Kopf wie eine Kartoffel hatte.
    Nach einer Weile beachtete ich meine Klassenkameraden gar nicht mehr. Es war mir egal, was sie über meine Mutter sagten oder ob sie mich schief anguckten. Ich ging einfach in die Schule, setzte mich hin und guckte auf die Tafel. Außerdem wusste ich, dass sonntags immer ein Lächeln auf mich wartete.

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Kapitel 2
    S olange ich denken konnte, hatte ich die Sonntagvormittage bei unserer Nachbarin verbracht, einer älteren Dame, Mrs Gertrude Odell. Um acht Uhr ging ich hinunter in die Küche und wartete darauf, dass bei ihr das Licht auf der Veranda anging; das war ihr Signal, dass sie bereit war, mich zu empfangen. Sobald das Licht anging, rannte ich zur Tür hinaus, durch den Vorgarten und die Hintertreppe ihres kleinen Backsteinhauses hinauf. Sie begrüßte mich immer mit einem Lächeln, das dünne weiße Haar auf klitzekleine Lockenwickler gedreht, noch im Nachthemd und einem geblümten Morgenmantel, der an den Ärmeln ausgefranst war.
    »Guten Morgen, mein Schatz«, sagte sie, wenn ich in ihre Küche trat. »Da wird dieser herrliche Tag gleich noch schöner.«
    Ob die Sonne schien oder es regnete, selbst wenn nachts ein halber Meter Schnee gefallen war, für Mrs Odell war jeder Tag schön. Ich glaube, sie war einfach froh, über der Erde aufgewacht zu sein.
    Mrs Odell lebte allein. Sie hatte einmal einen Mann gehabt, aber er war
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