Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah
Autoren: Beth Hoffman
Vom Netzwerk:
schon lange tot. Wir halfen einander oft: Sie machte mir morgens immer ein Schulbrot, und ich half ihr im Garten Unkraut jäten und schwere Sachen tragen.
    Unsere Sonntagsfrühstücke waren mir das Allerliebste auf der ganzen Welt. Ich holte das Besteck heraus und deckte den weißen, emaillierten Tisch neben dem Küchenfenster, während sie mit ihren abgetragenen Omaschuhen mit unterschiedlichen Schnürsenkeln auf dem grünen Linoleum herumschlurfte und einen ganzen Stapel Pfannkuchen buk. Dann setzten wir uns und schmausten festlich, während im Radio ein Gottesdienst übertragen wurde. Mrs Odell liebte Chorgesang, deswegen machte sie es immer rechtzeitig an, damit wir nichts verpassten. Meistens erwischten wir noch das Ende der Predigt, die von einem verärgert klingenden Prediger gehalten wurde. Es klang immer, als würde er seine Zuhörer mit erhobenem Zeigefinger ausschimpfen.
    Eines Sonntags, ich leckte mir gerade Ahornsirup von den Fingern, fragte ich Mrs Odell: »Warum ist der Prediger so wütend? Er klingt immer so böse.«
    Sie trank einen Schluck Tee und dachte kurz nach. »Jetzt, wo du es sagst – stimmt, er klingt ein bisschen griesgrämig. Vielleicht hat er keine Lust mehr, den Leuten dauernd zu sagen, sie sollen nett zueinander sein.«
    »Sind alle Priester so griesgrämig?«, fragte ich und biss von meinem Pfannkuchen ab.
    Mrs Odell kicherte. »Wahrscheinlich nicht alle, aber ich glaube, viele predigen mit etwas zu viel Nachdruck.«
    »Was ich nicht verstehe, ist, warum die Leute sich schick machen und in die Kirche gehen, bloß um sich ausschimpfen zu lassen. Da kann man doch besser gleich zu Hause bleiben, im Schlafanzug Pfannkuchen essen und sich übers Radio anschreien lassen.«
    Mrs Odell lachte Tränen. Aber ich hatte das ganz ernst gemeint.
    Am folgenden Freitag hörte ich auf dem Heimweg von der Schule ein lautes Tock-Tock-Tock hinter den Bäumen. Vor der Kirche schlug ein Mann ein Schild in den Boden, das ein Wohltätigkeitsfest ankündigte. Unten auf dem Schild stand in leuchtend roten Buchstaben Feiern Sie mit – Alle sind eingeladen! Als ich zu Hause ankam, hatte ich bereits fest beschlossen, am Samstagvormittag hinzugehen und mir selbst ein Bild zu machen, was es mit diesem Kirchendings auf sich hatte.
    Bevor ich am nächsten Morgen aus dem Haus ging, setzte ich eine alte Sonnenbrille auf und wickelte mir ein Tuch um den Kopf. Dank Mommas Aussetzern sahen mich inzwischen sogar die Erwachsenen in unserer Stadt mit einer Mischung aus Ekel und Mitleid an, deswegen verkleidete ich mich immer ein bisschen, wenn ich in die Stadt ging.
    Das Fest brummte bereits, und ich schlüpfte in den Schatten der Bäume, um es mir anzusehen. Mein erster Eindruck war, dass Kuchen die Leute sehr viel eher dazu bringt, freundlich zueinander zu sein, als ein schimpfender Prediger. Tatsächlich wurde an den Kuchenverkaufstischen mehr gelächelt als ich es je irgendwo gesehen hatte. Sogar die übellaunigsten, finstersten Männer der Stadt wirkten ganz zufrieden und grinsten wie die Honigkuchenpferde angesichts der langen Tische mit Plätzchen, Kuchen und Strudeln. Sogar Mr Krick, der Inhaber des Eisenwarenladens und muffeligste Mensch der Welt, nahm sich ein Stück Kuchen. Unter dem aufmerksamen Blick einer kleinen, grauhaarigen Frau hielt er es sich unter die Nase und atmete den Duft ein.
    »Ida Mae«, sagte er mit einem dümmlichen Grinsen, »da haben Sie ein Meisterwerk geschaffen. Dieses Holundertörtchen hat der Herrgott selbst gesegnet. Das nehme ich.«
    Ida Mae errötete und packte das Törtchen in eine Schachtel.
    »Und machen Sie sich keine Sorgen wegen dem kaputten Schnapper an Ihrer Fliegentür«, sagte Mr Krick plötzlich fröhlich. »Ich komme morgen mal vorbei und bringe das in Ordnung.« Er reichte Ida Mae einen Fünfdollarschein, sagte ihr, sie könne den Rest behalten, und verschwand in der Menge.
    Ich merkte mir, dass ich, wenn ich je die Hilfe eines Mannes benötigen sollte, ihm einen Kuchen backen würde. Ich überlegte, ob das der Grund war, warum mein Dad kaum noch nach Hause kam. Soweit ich wusste, hatte Momma ihm noch nie einen Kuchen gebacken.
    Hinter den Gebäcktischen gab es eine Reihe von Spielbuden, aber da traute ich mich nicht hin, weil ein paar Kinder aus meiner Schule dort waren. Ich schaute ihnen aus sicherer Entfernung zu, wie sie Bälle warfen, Kegel abräumten und Preise gewannen.
    Als ich genug von dem Fest gesehen hatte, nahm ich eine Abkürzung über den Rasen und ging
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher