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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah
Autoren: Beth Hoffman
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sie …«
    »Meine Güte, kann man hier nicht mal reinkommen, ohne gleich vollgequatscht zu werden?« Er nahm sich ein Bier, packte den Rest des Sixpacks in den Kühlschrank und schob die Tür mit dem Fuß zu. »Ich war mit deiner Mutter bei einem Superdoktor in Cleveland. Er hat ihr so viele Pillen verschrieben, dass das Badezimmer aussah wie eine gottverdammte Apotheke. Du weißt genau, dass sie sie nicht nimmt, und wenn doch, dann wirken sie nicht.«
    »Es gibt ein spezielles Krankenhaus für seelisch kranke Leute in Eastlake. Habe ich im Telefonbuch nachgeguckt.«
    Er öffnete das Bier und ließ den Flaschenöffner mit einem lauten Klonk in die Schublade zurückfallen. »Hast du auch nur die leiseste Ahnung, was das kostet? Ich bin doch nicht Krösus!«
    »Du kriegst ja gar nicht mit, was sie alles macht.« Ich marschierte durch die Küche und machte eine Schranktür auf. »Das sind die einzigen Teller, die wir noch haben, und weißt du, warum? Wenn sie verrückt wird, schmeißt sie sie an die Wand. Letzte Woche hat sie den Toaster die Kellertreppe runtergeworfen, und dann hat sie …«
    Er packte einen Stuhl an der Lehne und drückte so fest zu, dass seine Knöchel ganz weiß wurden. »Ich bin auch nicht auf Rosen gebettet. Ich habe gestern einen großen Kunden verloren. Wie es aussieht, müssen wir den Gürtel enger schnallen. Ich kann es mir nicht leisten, deine Mutter ins Krankenhaus zu schicken.«
    »Aber ich halte das nicht mehr aus. Wenn du Momma nicht ins Krankenhaus schicken willst, dann schick mich weg.«
    Er beugte sich zu mir, sein Atem roch faul und heiß. »Hat deine Mutter dir je was getan? Hat sie dich geschlagen oder dir den Hintern versohlt?«
    »Nein, aber sie …«
    »Dann sieh einfach zu, dass sie im Haus bleibt, wenn sie nicht sie selbst ist.« Er sah einen Stapel Post durch.
    »Wenn du wegen Momma nicht irgendwas unternimmst, dann tue ich das. Ich erzähle der Schulschwester davon, oder ich … ich … gehe zur Polizei und …« Mir zitterte das Kinn so sehr, dass ich den Satz nicht zu Ende brachte.
    »Und was glaubst du, was die Polizei tun wird? Deine Mutter festnehmen, weil sie einen Toaster die Treppe runtergeworfen hat?«
    Ich bebte vor Wut. »Nein. Sie zwingen dich , etwas zu unternehmen.«
    Dad presste die Lippen zusammen. »Was glaubst du eigentlich, mit wem du sprichst?«
    »Ich versuche, mit dir zu sprechen, aber du hörst ja nicht zu! Wo warst du die ganze Zeit? Warum musst du so viel in Detroit sein?«
    »Ich bin beruflich unterwegs, das weißt du doch«, sagte er und riss einen Briefumschlag auf. Aber so, wie er den Blick abwandte, keimte in mir ein Verdacht.
    Ich holte tief Luft und nahm all meinen Mut zusammen. »Eine Frau hat für dich angerufen, zweimal, aber sie wollte mir ihren Namen nicht sagen. Und das war heute nicht das erste Mal. Bist du deswegen nie zu Hause?«
    Er bekam rote Flecken am Hals und starrte mich an. »Was soll das denn bedeuten?«
    Ich hielt seinem Blick stand, ich war ebenso wütend wie er. »Hast du eine Freundin?«
    »Weißt du was? Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt noch nach Hause komme.« Er zückte sein Portemonnaie, warf etwas Geld auf den Küchentisch und marschierte hinaus.
    Und war, wie immer, weg.
    Spät am folgenden Nachmittag saß meine Mutter auf der Hintertreppe. Sie war immer noch im Nachthemd, ihr Haar war ein einziges Vogelnest aus Haarnadeln und Lockenwicklern vom Abend zuvor. Sie hatte die Knie eng umschlungen, saß still da und starrte in den Himmel, der so brüchig wirkte wie verkohlte Alufolie.
    Ich ging hinaus und setzte mich neben sie. Wir sagten nichts. Wir saßen nur da und beobachteten, wie der Wind auffrischte und dunkle Wolken aufzogen. Der seltsame, elektrische Geruch von Sturm erfüllte die Luft, und als es in der Ferne donnerte, streckte ich die Hand aus und berührte sie. »Komm besser rein, Momma. Es fängt gleich an zu regnen.«
    Ihre Lippen bewegten sich kaum, als sie antwortete. »Ich beobachte den Vogel da. Ganz hoch oben im Baum.«
    Ich sah keinen Vogel und dachte, vielleicht geht ihre Fantasie wieder mit ihr durch. Aber da tschilpte es dreimal, und ein Rotschulterstärling erhob sich aus dem Baum. Momma und ich sahen ihm nach, bis seine purpurfarbenen Flügelflecken nicht mehr zu sehen waren.
    »Ich wäre gern ein Vogel.«
    »Warum? Was hättest du denn davon?«
    Sie drehte sich um und sah mich mit erschöpften blauen Augen an. »Dann könnte ich zurück nach Georgia in mein altes Leben fliegen.«
    Ich
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