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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley
Autoren: Monica McInerney
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diskutiert, sich über Fragen der Religion gestritten, über ihre Familien geredet und sich schließlich verabschiedet.
    »Wir reden morgen weiter«, hatte er gesagt. »Gute Nacht, Lola.«
    »Gute Nacht, Alex.«
    Sie sagten nie: »Ich liebe dich«, doch Lola wusste, dass sie ihn liebte und er sie. In ihrem Alter wusste man so etwas.
    Der Anruf war auf ihrem Handy gekommen. »Lola, hier ist Rosie.«
    »Rosie!« Ihre Stimme hatte komisch geklungen, als ob sie erkältet wäre. »Darling, ist alles in Ordnung?«
    »Es ist Papa. Lola, es ist Papa. Er ist …«
    »Er ist was, Rosie?« Bitte, lass Alex krank sein. Krank, im Krankenhaus, im Krankenwagen, alles, aber nicht …
    »Er ist tot.« Rosie hatte so heftig geweint, sie hatte kaum sprechen können. »Er ist im Schlaf gestorben. Ich bin heute Morgen nach unten gegangen, und da war er …«
    Lola hatte gewartet. Nicht geatmet, sich nicht bewegt. Nur gewartet.
    Rosie hatte immerzu weinen müssen. »Lola, es tut mir so leid. Ich muss Sie zurückrufen.«
    Lola hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Sie hatte eine Stunde lang auf ihrem Bett gesessen, das Telefon an ihrer Seite, und auf Rosies Rückruf gewartet. Sie hatte nicht geweint. Da noch nicht. Sie war nicht in die Küche gegangen, obwohl sie Margaret dort hörte. Sie hatte ganz still dagesessen und dem Leben ringsumher gelauscht. Den Vögeln vor dem Fenster. Einem Song, der leise aus dem Radio kam. Sie würde nicht weinen. Nein. Noch nicht.
    Als Rosie wieder angerufen hatte, war sie kaum gefasster. »Es tut mir so leid, Lola. Es tut mir so leid.«
    Lola hatte glauben wollen, dass sich Rosie für ihre Tränen entschuldigte. »Du musst dich nicht entschuldigen. Du musst jetzt weinen. Du musst jetzt alles rauslassen, über deinen Papa lachen, weinen, schreien …«
    »Er war in letzter Zeit so glücklich. Er war immer glücklich, aber irgendwie war er anders glücklich. Er hat so gern mit Ihnen gesprochen. Danke, Lola.«
    »Dafür musst du mir nicht danken, Rosie. Es gab für mich nichts Schöneres.« Da hatte sie es zum ersten Mal laut ausgesprochen. »Ich habe deinen Vater sehr geliebt.«
    Diese Worte hatten neue Tränen ausgelöst. »Ich will nicht, dass er tot ist, Lola. Er soll hier sein. Hier bei mir.«
    Rosie hatte alles gesagt, was Lola noch nicht sagen konnte, Lolas Gefühlen Ausdruck verliehen. Es war einfacher gewesen, all diese Dinge aus fremdem Mund zu hören, die Trösterin zu sein, ihr zu versichern, wie sehr Alex seine Töchter geliebt hatte, seine ganze Familie, wie stolz er auf sie gewesen war, wie viel Freude sie ihm geschenkt hatte.
    »Kommen Sie zur Beerdigung? Bitte, Lola. Damit wir Sie endlich kennenlernen?«
    »Natürlich«, hatte sie gesagt.
    In den folgenden drei Tagen hatte sie allein geweint, viele Male. Sie hatte um alles getrauert, was für sie und Alex nun verloren war. Die Gespräche, die Erinnerungen. Sie hatte um ihre verlorenen Jahre geweint. Um die einsamen Nächte, die nun vor ihr lagen.
    Sie hatte auch Tränen der Dankbarkeit geweint. Tränen über das Leben in seiner Unabsehbarkeit, das Leben, das sie wieder, wenn auch kurz, zueinander geführt hatte. Über all die kleinen, scheinbar zusammenhanglosen Ereignisse, die sie am Ende wieder mit Alex verbunden hatten. Lola hatte sie Schritt für Schritt nachvollzogen und selbst in ihrer Trauer gestaunt. Wenn Patricia und Luke nicht vor fünf Jahren nach Clare gezogen wären, wäre all das nicht geschehen. Wenn sich Luke nicht so für Computer interessieren würde, wäre all das nicht geschehen. Wenn er ihnen keinen Computer in den Wohltätigkeitsladen gestellt, nicht dieses Bildprogramm installiert hätte, wenn Lola nicht das Foto von Alex behalten, Luke nicht gewusst hätte, wie man alte Freunde im Internet findet, wenn Alex nicht versucht hätte, sie Weihnachten anzurufen …
    So viele kleine Begebenheiten, die zusammengenommen zu etwas Wunderbarem geführt hatten. War es Schicksal, Magie oder beides?
    Als der Flugbegleiter den Landeanflug auf Melbourne ankündigte, spürte Lola eine Hand auf ihrer.
    »Alles okay, Mum?«, fragte Jim.
    »Mir geht es gut, Darling, danke.«
    Sie beugte sich vor und sah aus dem Fenster. Melbourne tauchte unter ihnen auf. Sicher wartete Rosie schon am Flughafen, an ihrem Gate, und schaute auf den Monitor. Sie hatte darauf bestanden, sie abzuholen. »Papa würde mich umbringen«, hatte sie gesagt.
    Am nächsten Tag, am Tag nach der Beerdigung, wollten auch Ellen und Glenn nach Melbourne kommen. Das war Betts
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