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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley
Autoren: Monica McInerney
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Erfahrung ausschöpfen, solange sie noch bei klarem Verstand war. Sie würde sich an ihr Versprechen halten, als wäre es die letzte große Aufgabe, die ihr das Leben stellte.

Kapitel 21
    Silvester
    »Eins, zwei, drei, vier, fünf … Wie viele sind wir, Ur-coole-Oma?«
    »Dreizehn, Darling. Oh, was hast du die Servietten schön gefaltet, Ellen, danke. Sind das Schwäne oder Schweine?«
    »Lola! Das sind Bischofsmützen.«
    »Tut mir leid, Darling, ich sehe nicht mehr gut.«
    »Wenn du diese Brille absetzen würdest, könntest du wahrscheinlich besser sehen.«
    Lola nahm die neue, mit Strass besetzte, übergroße Brille ab, die Carrie ihr zu Weihnachten geschenkt hatte und die, so fand Lola, hervorragend zu ihrem Fascinator passte, an dem Federn und Schmucksteine prangten und den ihr Bett überreicht hatte. Die Weihnachtsbescherung hatte erst an diesem Morgen stattgefunden, gleich nachdem Daniel mit ihrem Ehrengast vom Flughafen gekommen war. Seither war der Speisesaal das Zentrum fröhlichen Lärmens und Treibens, an dem sich sämtliche Familienmitglieder beteiligten: Jim, Geraldine, Bett, Daniel, Zachary, Yvette, Carrie, Matthew, Delia, Freya, George – und natürlich Ellen. Lola hatte glücklich und zufrieden in ihrem Sessel mitten im Zimmer gesessen, mit Blick auf den Weihnachtsbaum sowie den blauen Himmel und die Weinberge vor dem Fenster, und sich an dem Gekreische und Geschrei ergötzt.
    Ellen hatte sich so schnell und selbstverständlich eingefügt, als wäre sie seit Wochen schon bei ihnen. Sie war größer und schlanker geworden, sie ähnelte Anna von Tag zu Tag mehr. Ihr Gesicht war schön wie immer, die Narbe kaum noch sichtbar. Ellen schien sich nicht mehr daran zu stören. Sie schwirrte wie eine kleine Libelle von einem zum anderen, spielte mit ihren Cousins und Cousinen, sprach mit ihren Großeltern, hakte sich bei ihren Tanten unter und kam immer wieder zu Lola. »Ich bin überhaupt nicht müde, Lola, dabei bin ich seit Stunden wach!«
    Später, wenn es draußen etwas abkühlte, wollten sie gemeinsam Anna besuchen und ihr zu Ehren ein Glas Sekt an ihrem Grab trinken. Im Moment aber war Ellen damit beschäftigt, den Tisch unter den Bäumen zu decken, dem Ort für das Weihnachtsessen, das nie stattgefunden hatte. Lola hatte niemandem von ihren gescheiterten Plänen erzählt. Je weniger sie sagte, umso besser. Sie wurde ja jetzt schon mit Argusaugen beobachtet. Als ob jeder damit rechnete, dass sich Lola gleich wieder auf einen stickigen Hof sperren lassen würde, über dem die Sonne brannte.
    Dabei wäre das sowieso unmöglich. Gleich nach Weihnachten, kaum dass sich die Neuigkeit in der Stadt verbreitet hatte, hatte Bill, ihr Mann für alle Fälle, die beschädigte Tür repariert und ein neues Schloss in das Hoftor eingebaut. Zu Lola war die Polizei gekommen und hatte sie befragt. Das Computerequipment war nicht gefunden worden, und das würde es wohl auch nicht. Die Diebe, ob Ortsansässige oder Fremde, hatten es bestimmt schon weiterverkauft oder benutzten es selbst, so vermutete die Polizei. Unglücklicherweise kam für den Verlust keine Versicherung auf. Im Jahr zuvor hatte der Beirat entschieden, das Inventar nicht zu versichern – schließlich gab es im Laden lediglich gebrauchte Ware. Doch keine Woche nach dem Diebstahl, noch während der offiziellen Weihnachtspause, hatten sie bereits Ersatz für den Computer. Margaret hatte den ersten Anruf erhalten, den nächsten Kay, den übernächsten Patricia. Und jeder Anrufer hatte ein Gerät gespendet. Die Aufgabe, sich um all das zu kümmern, wurde einstimmig Luke übertragen. Er war schließlich ihr Computerguru.
    Noch lagerte alles bei seiner Mutter: ein nahezu neuer Computer, eine gebrauchte Kamera, ein Drucker und ein Scanner. »Wir haben Weihnachten einen neuen bekommen«, hatte einer der Wohltäter gesagt. »Unseren alten können Sie sehr gern haben.« Und die Spenden waren weitergeflossen, selbst, als sie längst genug hatten, um den alten Zustand wiederherzustellen. Es sah so aus, als könnten sie weitere Kontrollzentren gründen, eines im Altersheim und womöglich sogar eines in der örtlichen Bibliothek.
    Lola war am Vortag im Altersheim gewesen, angeblich, um zu sehen, wo sich der Computer aufstellen ließe. In Wirklichkeit hatte sie sehen wollen, ob sich dort leben ließe.
    Jim wäre entsetzt gewesen. Als er und Geraldine aus dem Urlaub zurückgekehrt waren – zwei Tage früher als geplant –, war er gleich zu Lola geeilt.
    »Darling,
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