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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Autoren: Harald Muellner
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reden Sie denn da? Astonautinnen sind immer weiblich.
War das ein kleines oder ein großes i, das ich da gerade vernehmen musste?«
    »Wie bitte?«
    »Wenn Sie schon gendern, dann gendern Sie gefälligst richtig
– also mit Hausverstand und so, dass ich es auch verstehe.«
    Robert zog den Kopf ein.
    »Falls es die Mission wirklich gab, ist es wohl ziemlich
müßig darüber zu diskutieren, wie viele Männer oder Frauen an Bord waren. Den
einzigen Grund, den ich mir vorstellen könnte, warum man drei Frauen schickte,
ist die Tatsache, dass es neu und einzigartig und einmalig war. Und um Ihre
Fantasie anzustacheln.« Er grinste. – »Ich höre doch wohl nicht aus ihrer
Bemerkung ein kleines, alteingesessenes und nie bestätigtes Vorurteil heraus,
mein Freund?«
    Robert verschluckte sich beinahe an seinem Bier. »Nein!«,
platzte er heraus, so laut, dass sich die Reisenden an den Nachbartischen nach
ihm umdrehten. »Um Gottes willen, nein!«
    »Lassen Sie Gott dabei aus dem Spiel; der Ärmste hat damit absolut
nichts zu tun.«
    »Tut mir leid, war nur so eine Redensart. – Wissen Sie, was
ich nicht verstehe?«
    Der Alte lächelte ihn an.
    »Ja, ich weiß schon. Sie denken, das wird bei weitem nicht
das einzige sein, das er nicht versteht.«
    Erst sah es so aus, als käme keinerlei Reaktion von seinem
Gegenüber, doch dann sah Robert ein dezentes, doch eindeutig zustimmendes
Nicken.
    »Ich muss da jetzt einmal eine Zwischenfrage stellen, die
mir schon länger auf der Zunge brennt: Können Sie Journalisten im Allgemeinen
oder mich im Speziellen nicht leiden?«
    Die Frage schien den alten John nun doch überrascht zu
haben. Er zog seine Augenbrauen zusammen, öffnete den Mund, doch eine Sekunde
später sah er wieder genauso aus wie Robert seine Physiognomie in seinem
Gedächtnis abgespeichert hatte. »Habe ich wohl etwas übertrieben. Ja? Tut mir
leid, junger Freund. Das war nicht meine Absicht. Manchmal gehen einem alten
Mann die Erinnerungen doch sehr nahe und dann kann es vorkommen, dass das
Temperament mit ihm durchgeht. Nehmen Sie meine Meldungen um Himmels willen
nicht ernst. Ich hoffe, Sie nicht wirklich damit beleidigt zu haben, wenn doch,
entschuldige ich mich natürlich in aller Form. Es ist nur so, dass ich in den
letzten fünfundzwanzig Jahren keine allzu positiven Erfahrungen mit
Ihresgleichen gemacht habe.«
    »Wie denn das?«
    »Ich will mich nicht in schmerzlichen Details verlieren.
Bitte nehmen Sie meine Antwort einfach so zur Kenntnis.«
    »Selbstverständlich.«
    Für den Bruchteil eines Augenblicks wirkte der Alte auf
Robert wie ein eingeschüchtertes Kind, das sich in den Tiefen seiner Gedanken
eine sichere Welt geschaffen hat.
    »Warum, um alles in der Welt, wenn die Geschichte wirklich
wahr ist, wenn sie sich wirklich so zugetragen haben sollte, wie diese Frau in
den Medien behauptet – nicht wie Sie mir die Geschichte humoristisch erzählt
haben –, warum rückt sie erst jetzt damit heraus? Warum kam nicht schon ihre
Mutter auf die Idee? Oder deren Mutter?«
    »Vielleicht braucht sie einfach Geld.«
    »Was? Das ist jetzt aber ein Scherz.«
    Das Gesicht des Alten war entspannt. »Vielleicht, aber es
war das erste, das mir spontan einfiel.«
    Robert sah ihn entgeistert an.
    »Sie sind doch vom Fach, mein junger Freund. Ihnen brauche
ich doch nicht zu erzählen, wie viel Agenturen und Nachrichtensender für
Neuigkeiten zahlen – ganz zu schweigen von den Blättern der Boulevardpresse.«
    »Das schon, natürlich. Aber ich verwehre mich gegen die
Unterstellung, dass das auch in diesem Fall nur des Geldes wegen geschah. Ich
glaube nicht, dass man immer alles nur auf Geld reduzieren sollte.« Mit einem
zügigen Schluck trank er sein Glas leer.
    »Wie gesagt, ich weiß es nicht. Es war nur eine Vermutung
meinerseits. – Was ich allerdings weiß, ist, dass wir uns nicht immer auf das
verlassen sollten, was wir wissen bzw. wir glauben zu wissen, was uns so
vertraut und logisch erscheint, vielleicht auch nur deshalb logisch, weil es
uns so vertraut ist.«
    Robert versuchte, den immer mühsamer werdenden Ausführungen
des Philosophen, der ihm mittlerweile gegenübersaß, zu folgen.
    »Es ist nicht leicht zu verstehen und über all zu viel
Erfahrung dürften Sie mit Ihren – wie alt sind Sie eigentlich, dreißig?«
    »Siebenundzwanzig.«
    »... mit Ihren siebenundzwanzig Jahren auch noch nicht
verfügen. – Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen, die Ihnen vielleicht
bekannt vorkommt, vielleicht auch
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