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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Autoren: Harald Muellner
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positiven
Stimmung auf ebenso positive Gedanken brächte. Möglicherweise könnte die
Attraktive, die in der Lounge die Stimmungsverbesserer servierte und vermutlich
erst knapp über dreißig war, auch seine Stimmung etwas verbessern.
    Robert erwarb beim Verlassen
der Lounge noch eine Flasche Wodka, die er mit in seine Kabine nahm. Großzügig schenkte
er sich, dort angekommen, ein Glas voll, legte sich in seine Koje und begann in
der Schiffsbibliothek nach Aufzeichnungen über das Apollo-Programm zu suchen.
Auf seinem Bildschirm erschienen mehrere tausend Ergebnisse. Er wählte gleich
den ersten Eintrag, der ihm einen groben Überblick über die Zeit von 1960 bis 1975
verschaffte. Anschließend las er noch einen Bericht über die Entstehung der
ersten Mondbasen. Nach Beendigung seiner Lektüre bemerkte er erst, dass ihm der
Wodka in den Kopf gestiegen war. Verdammt soll er sein, dieser rechthaberische
Alte. Er legte sich auf seinem Bett zurück und versuchte einzuschlafen. Es
knackte und knarrte im metallenen Gebälk. Vermutlich, so dachte er, kommt es daher,
dass das Schiff rotiert und immer eine andere Seite der Sonne zugewandt ist. – Ich
kann logisch denken, alter Mann! Er hatte zwar keine Idee, ob seine Vermutung einer
ernsthaften wissenschaftlichen Prüfung standhalten würde, doch für ihn klang
sie logisch, verdammt logisch sogar.
    Geräusche aus der Nachbarkabine
drangen in die seine, als gäbe es keine Zwischenwand, die diese hätte aufhalten
können. Offensichtlich hatte es sein Nachbar besser erwischt und tummelte sich
gerade beischlafend mit einer namenlosen Schönen in seiner Koje. Was Robert überraschte,
war die Tatsache, dass er glaubte, den Unterschied zwischen einem Orgasmus und
einem bloß vorgetäuschten, selbst noch durch die seidene Trennwand, hindurchhören
zu können. Robert, der Experte in Sachen Sex? Beinahe hätte er laut aufgelacht.
Auf Anhieb konnte er nicht einmal mehr sagen, wann er zum letzten Mal … Diesen Zeitraum
würde er schon vernünftigerweise in Jahren angeben müssen, um einer
umständlichen Konvertierung in Monaten, Wochen und Tagen vorzubeugen. Sofort
verbannte er diesen Gedanken in jenen Bereich seines Gehirns, in dem dieser von
einer ausreichenden Wodkakonzentration erwartet und eliminiert wurde. In dieser
Nacht waren sie alle vorgetäuscht, so sein professionelles Urteil. Wer immer
der Typ aus der Nachbarkabine war, er hatte von Frauen offensichtlich keine
Ahnung. Robert wälzte sich in seiner Koje. Seine Gedanken kreisten um den
Alten. Dessen Worte verfolgten ihn und ließen ihn auch im Dämmerzustand nicht
in Ruhe. Er stand auf, trank einen Schluck Wasser, legte sich wieder hin. Er
starrte an die Decke. Irgendwann, es musste schon gegen Morgen gewesen sein,
schlief er ein.
    Es war schon beinahe Mittag,
als Robert am nächsten Tag aufwachte. Er ging in den Speiseraum und nahm, weil
er es mittlerweile schon gewohnt war, dieses synthetisch schmeckende Essen zu
sich, als handelte es sich um eine kulinarische Köstlichkeit. Den Alten vom Vortag
konnte er nirgends sehen. Am Nachmittag entschloss er sich zu einem Spaziergang
auf dem mit Containern überfüllten Promenadendeck. Die Unruhe in ihm wuchs im
selben Ausmaß, in dem die Zeit bis zum Abendessen sich verringerte. Einfallslos
und geschmacklos hätte er das Abendessen eingestuft, falls er danach gefragt worden
wäre – doch niemand fragte. Als er seinen Gesprächspartner auch hier nicht traf,
beschloss er, diesen typischen Reisetag bei einem Glas Bier in der Lounge ausklingen
zu lassen. Ein Höhepunkt am Tag musste schließlich sein; und wäre er ehrlich zu
sich gewesen, hätte er eingestehen müssen, dass der Höhepunkt sich keineswegs
hinter der bernsteinfarben leuchtenden Flüssigkeit, sondern hinter den
ansprechenden Linien der Kellnerin verbarg. Insgeheim hegte er auch den Wunsch,
den Alten wieder zu treffen. Warum eigentlich? Am Tag zuvor hatte er ihn
genervt, hatte ihm Dinge gesagt, die er gar nicht hören wollte. Doch gab es etwas
an dem Alten, das ihn faszinierte, von dem er aber noch nicht sagen konnte,
worin es sich begründete. Ging die Faszination von dem Methusalem selbst oder
von seinen Geschichten aus? Von der Tatsache, dass sich seine Erzählungen
womöglich als mehr als nur blanke Fantasie herausstellen konnten oder von
jener, dass sie einfach nur gut erfunden worden waren? Lag es an seiner Art,
seiner Ruhe, die manchmal in Roberts Gegenwart sich aufzulösen begann, oder gar
seinem Alter? Oder war
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